Roboter-OP: Präzise Methode fürs neue Knie

von Redaktion

Der Gelenkersatz gehört zu den erfolgreichsten Behandlungen in der Medizin – doch gerade beim Knie ist das nicht immer einfach. Eine neue Roboter-Methode soll nun deutliche Vorteile bringen. Eine Patientengeschichte, die allen Betroffenen Mut macht.

VON ANDREAS BEEZ

Dr. Michael König, 73, gleitet über den mächtigen Morteratschgletscher in der Bernina-Gruppe, vor seinen Skispitzen schraubt sich das Gipfeldreigestirn des Piz Palü in den blauen Himmel. Die Eindrücke von seiner Hochtour im Engadin haben sich in Königs Gedächtnis gebrannt. Schon damals, vor rund einem Jahr, wusste der leidenschaftliche Alpinist und Skifahrer: „Solche Erlebnisse will ich auch in Zukunft nicht missen!“ Aber: Er spürte, dass es nicht nur unter seinen Brettern knirschte – sondern auch im Knie.

„Ich konnte einfach immer schlechter gehen, und irgendwann hat jede Bewegung wehgetan.“ Gelenkverschleiß, Arthrose auf der Innenseite. Genauer: mediale Gonarthrose im Endstadium, so lautet die Diagnose.

Heute, also zwölf Monate nach der Hochtour, hat König zwar – noch – keine Skistöcke in den Händen, sondern bis dato nur Krücken. Doch gefühlt kommt er seinem Ziel, endlich wieder schmerzfrei durch die Berge zu streifen, jeden Tag einen großen Schritt näher. Denn: Er hat inzwischen einen sogenannten Schlitten eingesetzt bekommen. Das ist letztlich ein halbes künstliches Kniegelenk; in Königs Fall wurde nur die zerschlissene Innenseite ersetzt, weil die schützende Knorpelschicht auf der Gelenk-Außenseite (also „lateral“) und hinter der Kniescheibe (also „retropatellar“) noch intakt ist. Wenn dagegen das gesamte Gelenk ersetzt wird, spricht man übrigens von einer Totalendoprothese (TEP).

Schon vier Wochen nach dem Eingriff setzt er sich jedenfalls wieder aufs Radl. „Die Schwellung war von Anfang an gering – und der Schmerz ließ schnell nach“, erzählt er. In einer ambulanten Reha trainiert er frühestmöglich seine Muskulatur. „Und heute, nur sechs Wochen nach dem Eingriff, habe ich nahezu keine Beschwerden mehr! Es ist absolut erstaunlich, ich kann nur sagen: Mir geht’s bestens!“

König, der in Stuttgart lebt, hatte sich intensiv mit dem Thema Gelenkersatz beschäftigt – und bewusst für eine Operation im Münchner Uniklinikum rechts der Isar entschieden. Vor allem deshalb, weil das dortige Endoprothesenzentrum, unter Leitung von Orthopädie-Professor Dr. Rüdiger von Eisenhart-Rothe, als eines der ersten in Süddeutschland beim Kniegelenkersatz einen OP-Roboter einsetzt.

Denn: Das Kniegelenk ist von Natur aus komplexer als das Hüftgelenk – und damit schwieriger zu ersetzen. Wie Studien zeigen, sind zehn bis 20 Prozent der Knie-Patienten mit dem OP-Ergebnis nicht zufrieden. Also jeder Fünfte. Diese Quote wollen Spezialisten des Uniklinikums jetzt mithilfe der innovativen Technik weiter verringern.

„Die Vorstellung, dass dieser Roboter die Prothese exakt der Anatomie meines Kniegelenks anpassen kann, das hat mich fasziniert“, sagt auch Patient König.

Nach Einschätzung seines Arztes von Eisenhart-Rothe erreicht der Roboter eine Genauigkeit, die ein Operateur mit bloßem Auge nur schwer gewährleisten kann: „Die neue Technik ermöglicht es uns, noch gewebeschonender, präziser und genau auf die individuelle Anatomie des Patienten abgestimmt zu operieren. Damit wird die OP noch sicherer und das Ergebnis hoffentlich noch besser. Entscheidend ist, dass der Roboter nicht selbstständig operiert. Jeder Arbeitsschritt wird vom Arzt eingeleitet und durchgeführt.“

Wie aber kann man sich das als medizinischer Laie vorstellen? Und: Wie erreicht der OP-Roboter dieses Höchstmaß an Präzision? Als Grundlage dienen die Bilder einer Computertomografie (CT). Der Patient kommt also zunächst in die „Röhre“, sein Bein wird gescannt. Anhand der Bilderserien erstellen die Ärzte ein dreidimensionales Modell des Knies und planen dazu minutiös, in welcher Position die Prothese verankert werden soll. Während der OP gleicht der Roboter permanent seine Position am Knie mit dem im Computer hinterlegten Modell ab, kann sich dadurch praktisch wie mit einem Navi exakt orientieren – und zwar in allen drei Ebenen.

Der Roboter steht dabei neben dem OP-Tisch, sein Arbeitsarm wird vom Arzt zum Knie hin ausgerichtet. Nur der Operateur kann den Roboter in Gang setzen. Wenn dieser etwa beim Sägen in den Knochen zum vorher festgelegten Endpunkt kommt, schaltet er sich automatisch ab. „Damit ist sichergestellt, dass nicht mehr Knochen entfernt wird als geplant und keine Nerven und Blutgefäße verletzt werden“, erklärt von Eisenhart-Rothe.

Ein weiterer Vorteil: Der Roboter kann die Prothese exakt im gewünschten Neigungswinkel einsetzen. „Die Abweichung beträgt maximal 0,5 Grad. Somit kann jede Beinachse individuell nachempfunden werden. Das ist wichtig, um eine optimale Funktion der Prothese zu erzielen“, erklärt der Spezialist weiter.

Die Philosophie hinter dieser Methode heißt „kinematic alignment“. Vereinfacht erklärt bedeutet der englische Begriff: Für jedes einzelne Knie soll die Prothese so angepasst werden, dass die individuelle Biomechanik des Gelenks wiederhergestellt wird. Während der OP wird dann die Bandspannung erfasst und die Prothesenposition noch mal feinjustiert.

„Dieser Ansatz könnte ein Schlüssel dazu sein, den Patienten nicht nur die Schmerzen zu nehmen, sondern auch ein noch höheres Maß an Beweglichkeit zu ermöglichen als mit herkömmlichen OP-Techniken“, sagt von Eisenhart-Rothe.

„Eine Idee, die mich überzeugt hat“, sagt auch Patient König. „Und mein Gefühl sagt mir: alles richtig gemacht!“ Den endgültigen Beweis will der 73-Jährige im Sommer antreten: „Dann gehe ich wieder auf Bergtour“, erzählt der leidenschaftliche Hobby-Alpinist. Und im nächsten Winter wird’s vielleicht sogar ein Wiedersehen mit dem Piz Palü geben. Königs Motto: Skifahren verlernt man nicht – auch nicht mit einem künstlichen Knie.

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