Deepfakes – unheimliche Videos aus dem Netz

von Redaktion

Nicht nur Nachrichten und Fotos können im Internet bearbeitet werden, ohne dass es auf den ersten Blick erkennbar ist. Auch bewegte Bilder lassen sich technisch so beeinflussen, dass sie mit der Realität wenig oder gar nichts mehr zu tun haben.

VON JÖRG HEINRICH

Trau keinem Video, das du nicht selbst gefälscht hast! Frei nach diesem Motto sorgen „Deepfakes“ im Internet für immer mehr Aufregung. Dabei geht es um manipulierte Filme, in denen meist Prominente in Situationen zu sehen sind, die es nie gab. Wir erklären die unheimlichen Videos aus dem Netz.

Das sind Deepfakes

Der Name beschreibt bereits, um was es geht. Er setzt sich aus „Deep learning“, also aus maschinellem Lernen, und aus „Fake“ (Fälschung) zusammen. Mithilfe künstlicher Intelligenz können Videos und auch Stimmen mittlerweile so glaubhaft manipuliert werden, wie es noch vor drei, vier Jahren absolut undenkbar war.

So lässt sich die Technik zum Beispiel zur Beeinflussung von Wahlen missbrauchen, wenn Politiker in für sie peinlichen oder gar strafbaren Situationen zu sehen sind.

Diese gibt es

YouTube ist eine Fundgrube für Deepfakes, die teilweise ebenso faszinierend wie erschreckend aussehen. In einem neuen Video aus Österreich singt Bundeskanzler Sebastian Kurz beim Eurovision Song Contest 1989 (bit.ly/esc-kurz) – obwohl er damals in Wirklichkeit erst zwei Jahre alt war. Arnold Schwarzenegger und Leonardo DiCaprio spielen im Film „No Country for Old Men“ mit, in dem sie nie zu sehen waren. Sylvester Stallone wird zum Kinderstar in „Kevin – Allein zu Haus“.

Statt Tom Hanks sitzt plötzlich Keanu Reeves als „Forrest Gump“ auf der berühmten Bank. Und Jeff Bezos und Elon Musk, die Chefs von Amazon und Tesla, tauchen in „Star Trek“ auf.

„Ich hätte nie gedacht, dass so etwas möglich ist“, staunt Star-Trek-Fan Bezos. Die YouTube-Kanäle „Ctrl Shift Face“ (bit.ly/film-fake) und „TheFakening“ (bit.ly/the-fakening) haben sich auf solche Film-Fälschungen spezialisiert. Doch so harmlos sind die Manipulationen nicht immer.

So gefährlich sind sie

Facebook-Chef Mark Zuckerberg musste bereits erfahren, wie problematisch Deepfakes sind. Er prahlte in einem komplett manipulierten Video, dass sein Netzwerk die „totale Kontrolle über Milliarden von gestohlenen Daten“ hat. Danach musste Zuckerberg – dieses eine Mal völlig unberechtigt – einen weltweiten Shitstorm über sich ergehen lassen.

Experten befürchten, dass die US-Präsidentschaftswahl 2020 durch Deepfakes verfälscht werden könnte – siehe die Demokratin Nancy Pelosi, die in einem gefälschten Video vermeintlich schwer betrunken zu sehen war.

Doch bisher drehen sich über 90 Prozent der Deepfakes um Pornos, in die prominente Schauspielerinnen oder Politikerinnen montiert werden. In den meisten Fällen sind Frauen Opfer der Manipulationen, wenn zum Beispiel Männer die Gesichter ihrer Ex-Partnerinnen oder einer verschmähten Liebe in Schmuddelfilme einbauen lassen.

Deepfake-Programmierer bieten diese schmutzige Dienstleistung längst im Internet an. Das Stichwort lautet „Racheporno 2.0“. Dafür gibt es bereits Software, die bekleidete Körper virtuell „auszieht“.

So entstehen sie

Die Erstellung ist bemerkenswert einfach, denn das wichtigste Deepfake-Programm DeepFaceLab ist kostenlos und frei im Netz verfügbar. Facebook und Microsoft gehen gemeinsam gegen das Phänomen vor. Sie unterstützen die Entwicklung von Software, die Fälschungen entlarvt. Twitter hat erst Anfang Februar die Verbreitung diskriminierender Deepfakes auf seiner Plattform verboten.

Und für Internetnutzer bleibt mehr denn je die Warnung, gerade in der heutigen Zeit nicht jedes Video (und nicht jedes gehörte Interview) für bare Münze zu nehmen und kritisch zu bleiben. Dabei hilft, dass die aktuellen Deepfakes zwar oft exzellent gemacht sind. Doch bis vor allem Zähne und Zungen wirklich perfekt aussehen, so Deepfake-Experte Supasorn Suwajanakorn, „kann es noch zehn Jahre dauern“.

Das ist der Nutzen

So gefährlich und unheimlich Deepfakes auch sind – Fachleute sehen auch Nutzen in den manipulierten Videos. Mithilfe der Technik lassen sich verstorbene Schauspieler in Filmen wiederbeleben. Dadurch war Hollywood-Star Carrie Fisher auch nach ihrem Tod 2016 als Prinzessin Leia in „Star Wars“ zu sehen. Und noch heuer soll James Dean 65 Jahre nach seinem Tod als einer der Hauptdarsteller im Film „Finding Jack“ auftauchen.

Der Deepfake-Forscher Suwajanakorn hat weitere Ideen: „Angehörige könnten ihre Trauer mit Avataren verstorbener Verwandter besser bewältigen. Und für Geschichtsstudenten wird es die Möglichkeit geben, sich mit Opfern des Holocaust oder des Vietnam-Kriegs zu unterhalten, die längst nicht mehr am Leben sind.“

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