Lassen sich Heuschnupfen-Symptome eindeutig von denen einer Coronavirus-Infektion unterscheiden?
Leider ist das nicht ganz so einfach. Denn: „Covid-19-Infektionen können nicht nur völlig symptomlos verlaufen, sondern auch mit leichtem Niesreiz, Naselaufen, nasalem Juckreiz, Augenjucken und -tränen sowie Augenrötungen – also genauso wie bei Heuschnupfen“, sagt Prof. Knut Brockow vom Uniklinikum rechts der Isar in München. Allerdings gebe es beim Heuschnupfen „kein Fieber, nur wässriges Sekret, und in der Regel auch keinen Husten“, sagt Prof. Jörg Schelling, Allgemeinarzt in einer Gemeinschaftspraxis in Martinsried. Ein erfahrener Hausarzt könne die Symptome im Regelfall sehr gut unterscheiden. Ähnlich argumentiert Prof. Franziska Ruëff vom Allergie-Zentrum des Klinikums der Universität München: „Natürlich wird jemand, der jedes Frühjahr eine juckende, triefende Nase und rote Augen hat – und zusätzlich an anfallsweiser Atemnot leidet, die durch Anstrengung verstärkt wird, 1+1 zusammenzählen und selbst darauf kommen, dass es wohl die alljährlich wiederkommende Pollensaison ist, die sich hier bemerkbar macht.“
Kann Heuschnupfen eine Infektion mit dem Corona-virus verstärken?
Dafür gibt es keine Belege, es deutet auch momentan nichts darauf hin. Experte Brockow sagt: „Heuschnupfen sollte kein wesentliches Risiko für eine schwerere Form der Covid-19 sein.“ Komme es jedoch durch ein allergisches Asthma zur Einschränkung der Lungenfunktion, könnte dies ein Risiko darstellen.
Heuer fliegen die Pollen besonders früh. Bleibt das künftig so?
Davon kann man ausgehen, darin sind sich unsere Experten einig. „Der Winter ist ja dieses Jahr weitestgehend ausgefallen und durch die milden Temperaturen kommt es zu einem früheren Start“, erklärt Expertin Ruëff. Und: zu einem längeren Pollenflug. „Dieser Trend wird auch im Rahmen der Klimaerwärmung so weitergehen – auch wenn es in einzelnen Jahren zu deutlichen Schwankungen kommen kann“, bestätigt auch Prof. Brockow. Ähnlich argumentiert auch Experte Schelling.
Welche Rolle spielt die Umwelt beim Thema Heuschnupfen?
Eine nicht zu unterschätzende! „Durch Verbrennung fossiler Energieträger entsteht CO2 – und das führt zum einen zu einer Klimaerwärmung“, erklärt Prof. Ruëff. Allein in Bayern sei die Durchschnittstemperatur im Vergleich zur Situation im vergangenen Jahrhundert aktuell um fast 1,5 Grad angestiegen. „Zum anderen ist CO2 auch ein Nährstoff für Pflanzen. Erwärmte und gut genährte Pflanzen produzieren mehr Pollen.“ Auch eine Staub- und Partikelbelastung könne die Symptome beim Heuschnupfen verstärken, sagt Experte Schelling. Allerdings bleibe das Allergen der Hauptauslöser. Übrigens: Laut Prof. Brockow hätten Umweltfaktoren „keinen großen Einfluss auf die Verbreitung der Covid-Infektion“.
Ganz konkret: Was hilft bei Heuschnupfen?
„Die Basisbehandlung des Heuschnupfens sind Antihistaminika, die man schlucken oder örtlich am Auge oder der Nase anwenden kann“, sagt Prof. Ruëff. Bei schwereren Beschwerden seien auch kortisonhaltige Präparate empfehlenswert. Experte Brockow rät dazu, den Kontakt mit Pollen zu vermindern: „Patienten mit schwerer Allergie planen am besten in der Hochphase einen Urlaub am Meer oder im Hochgebirge.“ Zudem sollte man das Schlafzimmerfenster – auf dem Land am frühen Morgen, in der Stadt abends und nachts – geschlossen halten, die Tageskleidung vor dem Schlafzimmer ausziehen und häufig waschen, vor dem Zubettgehen die Pollen von Haut und Haaren abduschen. Es gebe auch Pollen-Luftfilter für Autos; diese könnten eingebaut werden.
Muss ich beim Heuschnupfen zum Arzt?
Grundsätzlich ja. „Ich halte es für höchst bedenklich, wenn betroffene Patienten ausschließlich vom Apotheker versorgt werden und nie einen Allergologen aufsuchen“, sagt etwa Expertin Ruëff. „Wenn zusätzlich Asthma besteht, muss unbedingt ein Lungenarzt aufgesucht werden! Und wenn die Beschwerden nicht trivial sind, sollte ein Allergologe aufgesucht werden, damit über weitere Maßnahmen nachgedacht wird.“
Was sollte man tunlichst lassen?
Da gibt es so einiges, sagen unsere Experten. Ganz oben auf der Liste: das Rauchen. Denn: „Rauchen macht nicht nur Raucherbein und Lungenkrebs, sondern ist auch ungünstig für Pollenallergiker und besonders für Asthmatiker“, sagt Prof. Ruëff. Ungünstig sei auch, sich eine Katze zuzulegen oder die Wohnung „mit anderen potenten Allergenen auszustaffieren, zum Beispiel Ficus“, also einem Feigenbaum. Experte Schelling rät auch davon ab, sich „absichtlich zu exponieren und zusätzlich zu stressen“. Prof. Brockow warnt davor, „nur an einzelnen Tagen die Medikamente zu nehmen“, da dies häufig nicht ausreichend helfe: „Insbesondere die Nasensprays müssen einige Tage angewendet werden, bevor sie gut wirken!“
Wie verhindert man den gefürchteten Etagenwechsel, also von Nasenschleimhaut zur Lunge?
„Mit guter Behandlung, rechtzeitiger Diagnostik und Therapie“, sagt Prof. Schelling. Ähnlich argumentiert Expertin Ruëff: „Eine gewisse Verbesserung ist möglich, wenn man Beschwerden durch eine symptomatische Therapie lindert, intensiven Allergenkontakt meidet – und seine Lunge nicht noch mit zusätzlichen Schadstoffen wie Nikotin belastet! Zudem, darin sind sich alle Experten einig, sollte man grundsätzlich eine Hyposensibilisierung in Erwägung ziehen – eine Behandlung mit Spritzen oder teils mit Tabletten, die das Immunsystem an die Allergieauslöser gewöhnt.
Apropos Hyposensibilisierung: Macht das jetzt noch Sinn?
Schwer zu sagen. Es kommt tatsächlich auf den individuellen Fall an, erklären unsere Experten. Was grundsätzlich gilt: „Die Hyposensibilisierung ist die einzige Behandlung, die die Ursache der Allergie und nicht nur die Symptome bekämpft“, erklärt Prof. Brockow. Ob man jetzt noch starten soll, kann nur ein erfahrener Allergologe entscheiden. Zumal es vor allem auf den Auslöser und dessen Blütezeit bzw. Aktivität ankommt, erklärt Prof. Schelling. Ähnlich äußert sich Prof. Ruëff: „Für Pollen, die erst in einigen Wochen fliegen, das heißt zum Beispiel Gräser- oder Beifuß-Ambrosie-Pollen, kann man aktuell noch mit einer Hyposensibilisierungs-Behandlung beginnen. Es gibt mittlerweile Präparate, für die eine Aufdosierung während des Pollenflugs möglich ist, sodass man auch jetzt noch in der Baumpollensaison durchstarten könnte.“ Aber: „Für Patienten mit schwerem Asthma ist eine Aufdosierung während der Pollensaison eher nicht ratsam!“
Interviews & Zusammenfassung: Barbara Nazarewska