Hausärzte kämpfen an vorderster Front gegen das neue Coronavirus. Mit der steigenden Zahl der Infizierten spitzt sich auch ihre Lage immer mehr zu. Doch von Behörden fühlen sich viele alleingelassen – wie Dr. Ulrich Schaller. Als Internist in München-Pasing ist er täglich mit den Folgen konfrontiert.
Herr Dr. Schaller, wie viele hustende Patienten haben Sie heute schon versorgt?
Normalerweise kommen wir am Montag gar nicht zum Verschnaufen. Heute ist es aber sehr ruhig. Ich glaube, die Leute sind nach den Sperrungen in Norditalien ein bisschen geschockt und trauen sich nicht mehr zum Arzt. Es rufen aber viele an: Ich hatte in einer Stunde neun Rückrufe. Auch Patienten, die einen Termin für eine Routineunteruchung haben, fragen nach, ob sie den verschieben können. Da sind viele sehr einsichtig und selbstinitiativ – das gefällt mir gut.
Bekommen Sie auch von den Behörden so viel Unterstützung?
Ich bekomme nur Hinweise auf Internetseiten, etwa die des Berliner Robert Koch-Instituts (RKI) und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), wo man was nachlesen kann. Gestern habe ich in der Leitstelle wegen Atemschutzmasken angerufen. Meine FFP2-Atemschutzmaske ist kaputt, ich kriege aber keine mehr. Bei der Leitstelle bekam ich eine Nummer von der Kassenärztlichen Vereinigung, wo mir gesagt wurde, ich soll bei „Uvex“ anrufen – das ist die Firma, die auch Skibrillen herstellt –, ob ich da vielleicht noch was kriege. Da sind wir jetzt dran.
Haben Sie keine Vorräte?
Doch. Wir haben genug Seife und Desinfektionsmittel und auch noch einen kleinen Vorrat an normalen Kitteln, eine Kiste mit OP-Hauben und normalem Mundschutz. Wir wollen aber bestellen – und das ist ein echtes Problem. Bei den FFP2-Masken haben wir normalerweise eine pro Mitarbeiter.
Haben Sie Angst, sich mit Sars-CoV-2 anzustecken?
Nein, das ist mein Beruf! Wenn es brennt, darf der Feuerwehrmann auch nicht sagen: Jetzt geh ich nicht hin. Ich habe Respekt, aber keine Angst. Wir desinfizieren, wir lüften – wir setzen also alle Maßnahmen um, die das RKI empfiehlt. Und wir sagen allen bei einem Verdacht: Bitte vorher anrufen! Einen Betroffenen würde ich beraten und ihm dann sagen, er soll beim Ärztlichen Bereitschaftsdienst unter Tel. 116 117 und beim Gesundheitsamt anrufen. Für die Tests ist bei einer Epidemie der Staat zuständig.
Was tun Sie noch?
Generell versuchen wir unser Wartezimmer so leer wie möglich zu halten, damit sich Leute nicht gegenseitig anstecken – auch, falls wirklich was sein sollte. Das klappt ganz gut. Es kamen aber immer wieder Patienten mit Husten, Schnupfen, Heiserkeit unangemeldet, weil sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung brauchen. Ab sofort können sich Patienten mit leichten Erkrankungen der oberen Atemwege aber auch telefonisch für bis zu eine Woche krankmelden – eine gute Entscheidung.
Was tun Sie, wenn ein verdächtiger Patient plötzlich in der Praxis steht?
Ich habe mich gerade erst für eine kostenlose Videosprechstunde angemeldet. Wenn einer kommt, könnte ich den sofort in einem eigenen Zimmer isolieren, das mit Laptop, Videokamera und Mikrofon ausgestattat ist. Dann könnten wir von einem Zimmer zum anderen eine Videokonferenz machen.
Könnten Sie dann auch einen Test machen?
Ja. Aber ich gehe davon aus, dass ich und meine Mitarbeiter unter Quarantäne gestellt werden, wenn der Abstrich positiv wäre, weil wir ja keine Masken haben. Ich habe daheim schon mal das alte Zimmer meines Sohnes vorbereitet, damit ich meiner Familie aus dem Weg gehen kann. Aber die Praxis wäre dann dicht – und Sie dürfen nicht vergessen: Wir haben viele Diabetiker, Herz- und Tumorpatienten. Diese chronisch Kranken brauchen ihre Laborwerte und ihre Rezepte.
Eine Berliner Hausärztin lässt Patienten daheim selbst den Rachenabstrich nehmen – eine gute Idee?
In München ist das nicht nötig. Wir haben einen Hausbesuchsdienst, der Abstriche nimmt. Das finde ich gut.
Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern?
Wir brauchen keine Verantwortlichen, die sich darum streiten, ob der Starkbieranstich stattfindet oder nicht. So hat Frau Huml am Freitag noch gesagt, Fußballspiele können mit Publikum stattfinden – und heute rudert sie komplett zurück. Ich würde mir einen Macher wünschen – Leute wie Altkanzler und damals noch Innensenator Helmut Schmidt bei der Flutkatastrophe in Hamburg.
Das Interview führte: A. Eppner
TV-Tipp Um „Hausarztpraxen im Krisenmodus“ geht es heute um 19 Uhr auch in einem Spezial des Magazins „Gesundheit!“ im Bayerischen Fernsehen. Der Titel: „Wie geht Bayern mit dem Coronavirus um?“