Sollen Enkel nicht mehr zu den Großeltern?

von Redaktion

Während sich Italien abschottet, wächst auch bei uns die Sorge wegen der Ausbreitung des Coronavirus. Im Fokus stehen vor allem ältere Menschen. Jetzt appelliert sogar der wohl bekannteste Virologe Deutschlands, Prof. Christian Drosten: „Schützt die Großeltern!“

VON BARBARA NAZAREWSKA UND ANDREA EPPNER

Professor Christian Drosten würde sich sicher nicht als Schwarzmaler bezeichnen, sondern als Realist. Denn wenn es jemanden gibt, der – rein wissenschaftlich betrachtet – ganz nah dran ist am Coronavirus, dann ist es Drosten, Virologe an der Berliner Charité. Gestern erst mahnte er an, Risikogruppen besonders zu schützen. Und die Großeltern-Generation gehört dazu, denn gefährdet sind vorrangig ältere Menschen. „Es ist ernst!“, sagte Drosten.

Und weiter: Wenn man eindämmende Maßnahmen „nicht ernst nimmt, muss man davon ausgehen, dass es bei den Risikogruppen Sterberaten im Bereich von 20 bis 25 Prozent geben wird“. Auch rät Drosten, dass Kinder und Enkelkinder derzeit nahen Kontakt zu ihren Eltern und Großeltern vermeiden sollten – selbst wenn sie keine Symptome spüren. Das Virus könnten sie dennoch in sich tragen, ohne es zu wissen.

Auch Dr. Nikolaus Frühwein, Tropenmediziner aus München, sagt: „Praktisch alle Infektionskrankheiten sind für Ältere gefährlicher als für Jüngere. Das liegt wahrscheinlich auch am Immunsystem und den Krankheiten, die man sich im Verlauf des Lebens holt.“ Er sagt aber zugleich: „Über die Gefährlichkeit des aktuellen Coronavirus wissen wir einfach viel zu wenig!“

Die meisten Informationen stützen sich auf Erfahrungen aus China. Dort haben Wissenschaftler Daten der ersten rund 1000 Todesfällen ausgewertet. Das vorläufige Ergebnis: Das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf steigt ab einem Alter von 50 Jahren an, Menschen ab 80 sind besonders gefährdet. Und: Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Da es bis dato aber keine Medikamente gibt, lassen sich nur die Symptome behandeln – ansonsten muss unser Immunsystem mit Covid-19 selbst klarkommen.

Für Experte Frühwein wäre bei dem Ganzen vor allem eine Zahl entscheidend: „Wie viele Menschen, etwa in der Wuhan-Region, haben sich angesteckt, ohne zu erkranken?“, fragt er. Würde man diese Zahl nämlich kennen, ließe sich viel besser ein Vergleich herstellen – etwa mit der Grippe. „Damit wiederum könnte man wahrscheinlich die Menschen beruhigen“, erklärt Frühwein.

Warum? Ganz einfach: „Wären in Wuhan von den 15 bis 20 Millionen Einwohnern etwa 5 Millionen infiziert worden – was meines Erachtens durchaus möglich, ja sogar wahrscheinlich ist –, dann würden wir bei etwa 80 000 schweren Fällen und etwa 2000 Toten genau im Bereich der Influenza hier in Deutschland vor zwei Jahren landen.“ Zur Erinnerung: Damals gab es in Deutschland eine heftige Grippewelle mit bis zu 20 000 Toten. Frühwein sagt: „Um die Influenza sorgt sich aber anscheinend kaum einer – das beweist die mangelhafte Durchimpfungsrate.“ Dabei rät er Senioren dringend zu Impfungen; neben solchen gegen die Grippe vor allem auch gegen Pneumokokken, die eine Lungenentzündung auslösen.

Meist seien pflegebedürftige Angehörige besonders empfindlich gegen Infektionserkrankungen. „Andererseits haben sie deutlich weniger Kontakte mit Menschen und sind wahrscheinlich eher unterdurchschnittlich gefährdet“, sagt Frühwein. Aber: „Mit einem Infekt sollte niemand andere pflegen!“

Frühwein selbst ist 67 Jahre alt – und gehört somit zur Risikogruppe. Auch er hat Enkel. Und sagt ganz klar: „Die Wahrscheinlichkeit, mich bei meinen Enkeln anzustecken, ist marginal – und deshalb freue ich mich jeden Tag, wenn ich sie sehe.“ In der Praxis sei – bei vernünftigem Verhalten – die Gefahr ebenfalls minimal, „sodass ich im Umkehrschluss keine Gefährdung meiner Enkel durch mich befürchte“.

Zum vernünftigen Verhalten zählt vor allem eine gute Handhygiene, vor allem auch bei Kindern. Konkret: Hände unter Wasser halten, dann gründlich einseifen – sowohl Handinnenflächen als auch Handrücken, Fingerspitzen, Fingerzwischenräume und Daumen. Fingernägel nicht vergessen! Hygienischer als Seifenstücke sind Flüssigseifen. Danach Hände abspülen und gründlich abtrocknen.

Wichtig sei laut Frühwein auch, Menschenansammlungen zu meiden. Allerdings: „Gegen eine Geburtstagsfeier ist eher nichts einzuwenden, insbesondere, da wir Älteren ja nicht wissen, wie viele wir noch feiern können!“ Und: „Natürlich kann jeder jetzt in die selbst gewählte Isolation gehen. Dann hört aber das lebenswerte Leben irgendwann auf – wahrscheinlich früher, als das Coronavirus verschwindet.“

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