„Was ist das?“ „Eine Kartoffel zum Schälen.“ „Aha“, sagt Walter (67) und schaut weiter fragend seine Betreuerin Claudia an: „Ich zeig ess dir, Walter: Du drückst den Schäler an die Kartoffel und ziehst ihn runter, bis die Schale abgeht.“ Walter beobachtet sie konzentriert, nimmt dann selbst einen Schäler und presst ihn etwas ungeschickt an seine Kartoffel. „Gut?“, fragt er und hebt stolz das Ergebnis hoch. „Sehr gut“, antwortet Claudia. „Jetzt die nächste.“
Wieder erklärt sie jeden einzelnen Schritt, wieder schaut Walter genau zu. Walter gehört wie Richard der Kochgruppe für Demenzkranke der Alzheimer Gesellschaft München an. Bei Demenz verlieren Betroffene langsam ihre geistigen Fähigkeiten. Sie erinnern sich dabei zwar oft an Früheres, das Hier und Jetzt dagegen bereitet ihnen zunehmend Schwierigkeiten.
Um vor allem Erstes aufzufrischen, kochen Walter und Richard mit drei weiteren Betroffenen einmal pro Woche für die Gruppe und die Belegschaft Lieblingsessen von einst. Heute gibt es eine Gemüsepfanne mit Putenfleisch und Petersilienkartoffeln für 12 Personen.
Das bedeutet viel waschen, schälen, schneiden – und viel Spaß. Denn Letzterer soll für die Betreuten die Hauptsache sein. Ihre Angehörigen können sich in der Zwischenzeit entspannen.
Bei Richard klappt alles noch ausgezeichnet: Die Karotten wandern genauso schnell durch seine Finger wie die Kartoffeln. Trotzdem steht er stets unter Beobachtung seiner Betreuerin Gerda.
Zwischendurch stellt Richard einen Keksteller auf den Tisch. „Richard ist unser bester Mitarbeiter! Der muss gut versorgt sein!“, witzelt Gerda und alle stimmen grinsend zu und greifen zum Keksteller.
Köchin Gudrun prüft zwischendurch, ob sie schon die Kartoffeln aufsetzen kann. Dann fragt sie Richard: „Weißt du, wie man die Petersilie hackt?“ Der ehemalige Münchner Realschullehrer schüttelt den Kopf. „O.k. Du legst die Petersilie unter das Messer und hältst sie mit der Faust fest. Dann legst du die andere Hand auf das Messer und drückst es runter, bis die Petersilie fein ist.“ Richard hat aufmerksam zugesehen, nickt eifrig und fängt an, selbst zu hacken. „Moment, pass’ auf deine Finger auf“, ruft Gudrun dazwischen. Richard ordnet die Petersilie neu und verarbeitet dann den ganzen Strauß.
Alle drei ehrenamtlichen Betreuerinnen sind selbst im Ruhestand und haben eine Demenz-Ausbildung absolviert. Mit unzähligen Wiederholungen und noch mehr Geduld erklären sie den beiden Herren das Kochen. „Hier machen sie etwas, das sie vielleicht an früher erinnert“, sagt Gerda. „Das Ergebnis schmeckt auch noch. Wenn das keine gute Kombination ist.“ Die ausgebildete Köchin Gudrun muss bei den Rezepten auf nichts Spezielles achten. Die Teilnehmer essen, was ihnen schmeckt. Am liebsten Gerichte aus der Kindheit.
Wie oft bei Demenzkranken, erzählt Walter beim Schnippeln aus seinem früheren Leben. So macht er es auch heute. Einst fuhr er auf der „Bayern“ die Weltmeere ab. „Das war ein Traum. Ich habe den Nordpol und den Südpol gesehen.“
Bei diesen Reisen lernte er einst auch seine Ehefrau kennen und lieben. Sie möchte auch, dass er jetzt daheim mitkocht, aber das macht er lieber hier mit Gleichgesinnten. Auch wenn er immer wieder von vorne anfängt, kochen zu lernen. Ihm macht das nichts aus – und die Koch-Betreuerinnen haben jede Menge Geduld.