Klare Erklärungen und Signale der Zuwendung sind nach Ansicht des Gerontologen Prof. Andreas Kruse, der auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, unabdingbar für weitgehend isolierte alte Menschen während der Corona-Krise. Ihnen müsse genau vermittelt werden, warum sie kaum noch Besuch bekommen oder das Altenheim nicht verlassen dürfen. Außerdem müsse man ihnen deutlich zeigen, dass sie nicht vergessen wurden. „Sondern im Gegenteil: dass man intensiv an sie denkt und durch symbolische Handlungen, wie etwa Einkaufsdienste und andere Formen des Kontakts, zum Beispiel Telefon, Skype oder Internet, versucht, den Kontakt aufrechtzuerhalten.“
Damit fördere man auch die Widerstandsfähigkeit älterer Menschen, sagte Kruse. „Diese psychische Widerstandsfähigkeit darf man nicht unterschätzen. Dies bedeutet, sie können mit zum Teil erheblichen Belastungen und Einschränkungen umgehen, diese innerlich verarbeiten.“ Dazu aber müsse eben unmissverständlich erklärt werden, warum soziale Kontakte auf ein Minimum reduziert werden. „Die Beschränkung sozialer Kontakte bringt ja auch die Solidarität mit älteren Menschen zum Ausdruck“, erklärte der Altersforscher.
Um Senioren, gerade angesichts des hohen Risikos für schwere Verläufe bei einer Erkrankung, nicht noch weiter zu verunsichern, ist nach Überzeugung Kruses auch der Einfluss von Politik und Behörden entscheidend. Eine mit Souveränität und Ruhe gepaarte Kompetenz bedeute für viele eine Sicherheit, einen Schutz vor möglichen Gefahren. „Solange diese Sicherheit gegeben und ausgestrahlt wird, solange sich zahlreiche Zeichen der Solidarität auch mit den alten Menschen zeigen: Solange ist die Psyche geschützt“, sagt der Experte. Fühlten sich die alten Menschen hingegen alleingelassen und den Gefahren ausgesetzt, beeinträchtige dies die psychische und letztlich auch die körperliche Gesundheit.
Emotional tragfähige und anregende Kontakte seien im Alter fast noch bedeutsamer als in früheren Lebensabschnitten, betonte Kruse: „Diese Kontakte helfen, mit gesundheitlichen Verlusten und Einbußen, mit dem Verlust nahestehender Menschen, letztlich mit der Endlichkeit besser umzugehen.“ Gerade jetzt sei es daher umso wichtiger, dass Vertraute intensiv nach tragfähiger Kompensation suchen, wo persönliche Begegnungen kaum oder gar nicht mehr möglich sind. „Briefe, die von Enkel- oder Urenkelkindern angefertigten Bilder, Telefonate, Mail- oder Skype-Kontakte sind wichtige Hilfen!“
SILVIA VOGT