Sie haben es sich wahrscheinlich schon gedacht, oder? An Corona kommt auch meine Kolumne diese Woche einfach nicht vorbei. Deshalb stellt sich mir nun gerade die schwierige Frage, wie um Himmels willen ich dieses unschöne Thema mit dem „schönsten Gefühl im besten Alter“ verknüpfen soll …?
Denn eines ist ja nun leider klar: Gerade für Senioren ist eine Coronainfektion besonders gefährlich. Das gilt schon ab einem Alter von 60 Jahren; richtig groß wird das Risiko dann jenseits der 80. Zum einen liegt das daran, dass das Immunsystem im höheren Lebensalter weniger gut auf Infektionen reagiert als in jüngeren Jahren. Zum anderen sind die Coronapatienten in größerer Gefahr, die zusätzlich irgendeine chronische Vorerkrankung mitbringen, etwa ein Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes oder auch Krebs. Schon rein statistisch gesehen trifft genau das auf ältere Menschen häufiger zu als auf jüngere.
Der allseits zu hörende Aufruf: „Schützt Oma und Opa!“ ist also in diesen Zeiten sehr berechtigt. Und bei allem Übel, das diese Corona-Krise weltweit mit sich bringt, kann ich tatsächlich genau darin auch ein Fünkchen Gutes entdecken.
Plötzlich gerät nämlich die breite Masse der Senioren – fast 18 Millionen Deutsche sind über 65 Jahre alt – auf eine ganz neue Weise in den Blick: als unersetzlicher Schatz für jede einzelne Familie. Und auch als äußerst kostbares – und in „normalen“ Zeiten völlig unterschätztes – Gut im funktionierenden Wirtschaftskreislauf. In einem Interview forderte der Virologe Prof. Christian Drosten alle Eltern auf, ihre Kinder „jetzt mal bis zum September oder Oktober nicht mehr bei Oma und Opa zur Betreuung“ abzugeben. Stattdessen möge man doch besser für die Senioren einkaufen gehen, damit diese möglichst viel zu Hause in Sicherheit bleiben könnten. Und das ausgerechnet jetzt, wo Schulen und Kindertagesstätten bis auf Weiteres geschlossen sind! Das dürfte sich im Alltag vieler berufstätiger Eltern vermutlich ähnlich auswirken wie der berühmte Stock, der in die Speichen des sich emsig drehenden Rades gesteckt wird.
Selten hat eine Krise den gesellschaftlichen Wert von Fürsorgearbeit aller Art derart schlagartig und unerbittlich in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt wie diese. Und damit auch all diejenigen, die in normalen Zeiten stillschweigend hinter den Kulissen eben diese Arbeit leisten. Dazu gehören auch die Millionen Großeltern, die regelmäßig unentgeltlich (und weit flexibler als jede Kita!) für die Betreuung ihrer Enkelkinder zur Verfügung stehen – womit sie in vielen Fällen Eltern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erst überhaupt ermöglichen. Also ein enormer Beitrag zu einer reibungslos funktionierenden Gesellschaft und Wirtschaftswelt, den Corona gerade erstmals so richtig sichtbar gemacht hat! Ja, die meisten Großeltern sind natürlich sehr gerne für ihre Kinder und Enkel da, keine Frage. Trotzdem finde ich es gut für unsere Gesellschaft als Ganzes (und vielleicht sogar für die eine oder andere junge Familie im Einzelnen), wenn die Selbstverständlichkeit, mit der wir uns im Alltag gerne auf ihre Unterstützung verlassen, „dank“ Corona jetzt mal vorübergehend in ihren Grundfesten erschüttert wird – und uns bewusst wird, welch wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft Senioren doch sind.
Vielleicht bringt uns das ja doch alle zum Nachdenken und lässt uns – auch nach Corona – achtsamer, aufmerksamer und vor allem viel wertschätzender mit ihnen umgehen? Ich würde es mir sehr wünschen!
Die renommierte Diplom-Psychologin und Buchautorin schreibt, warum es so wichtig ist, vor allem auch jetzt zu erkennen, wie essenziell Senioren für uns alle sind.