Rezepte aus der Vorratskammer

von Redaktion

Zu viele Vorräte gebunkert, die sich jetzt im Regal stapeln? Die beiden Autorinnen des deutschen Kochbuchklassikers „Ich helfe Dir kochen“ zeigen, was man aus den vielen Vorräten alles zaubern kann. Denn Nudeln mit Tomatensauce sind auf Dauer zu langweilig. Jetzt ist die Zeit, neue Rezepte auszuprobieren.

VON STEPHANIE EBNER

Am Mittwochabend hat Angela Merkel von der größten Krise für Deutschland und Europa seit dem Zweiten Weltkrieg gesprochen. Hedwig Maria Stuber (96) sitzt neben ihrer Tochter Angela Ingianni (71) und nickt. „Ja, so etwas hat sie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges noch nie erlebt. Leer gefegte Supermarktregale, wohin man blickt. „Wahnsinn, was die Leute jetzt zu brauchen glauben.“ Dabei komme man mit so viel weniger aus. Das weiß sie aus eigener Erfahrung.

„Früher, wenn eine Zutat zu teuer oder nicht auftreibbar war, hat man sie einfach weggelassen oder ersetzt.“ Diese Art zu denken, fehle den Menschen heute manchmal, „weil bis jetzt alles im Überfluss vorhanden ist“. Ihr Tipp: „Kochen mit den Dingen, die da sind. Und ganz wichtig: Sich nicht sklavisch ans Rezept halten.“

Hamsterkäufe sind in der heutigen Zeit nicht nötig – „man kann auch viel bescheidener Kochen“ und zur Not nimmt man halt Milch statt Sahne, wenn man die gerade nicht im Haus hat. Hedwig Maria Stuber hat in den 1950er-Jahren den Kochbuchklassiker „Ich helfe Dir kochen“ geschrieben. Anfangs ging es noch um die richtige Vorratshaltung, „In den Jahren des Wirtschaftswunders und auch danach war das dann kein Thema mehr“, erinnert sich Tochter Angela Ingianni, die die Neu-Auflagen als Co-Autorin geschrieben hat. Erst in jüngster Zeit sei Vorratshaltung, allem voran das Fermentieren bei den jungen Leuten wieder groß in Mode gekommen.

Hedwig Maria Stuber lebt mit Tochter Angela Ingianni in einem Vier-Generationen-Haus im Münchner Norden. „Bei so vielen Menschen hat man immer Vorräte im Haus“, sagt Angela Ingianni. Auch in normalen Zeiten. Die Kiste mit Kartoffeln wird jedes Jahr im Herbst in den Keller gestellt, auch Milchprodukte dürfen im Kühlschrank nie fehlen – „für die Enkel und Urenkel“.

„Ich bin von Haus aus ein Eichhörnchen“, räumt Angela Ingianni ein. Deshalb hat sie zurzeit ein paar mehr Eier als sonst im Haus, „die kann man bedenkenlos bis zu drei Wochen aufheben“. Im Keller schlummert zudem noch eine Kiste, die einst Hedwig Maria Stubers Mann während der Koreakrise Anfang der 1950er-Jahre gehamstert hat. „Irgendwie ist es ihm damals gelungen, eine Kiste mit Kernseife aufzutreiben, die er gegen Lebensmittel eintauschen wollte“, erinnert sich Hedwig Maria Stuber. Doch dazu ist es nie gekommen. Die Familie versucht, die Hamsterware aufzubrauchen, seit sieben Jahrzehnten. „Fünf Stück haben wir jetzt noch im Keller“, sagt die Tochter. Diese kommen manchmal noch beim Reinigen von Stoffschuhen zum Einsatz.

„Eine durchdachte Vorratshaltung ist durchaus sinnvoll“, sagt die Fachfrau für einfache Rezepte. Ihr Tipp für diese Tage: Es müssen nicht immer nur Nudeln mit Tomatensauce sein. Man kann auch hervorragend mit Hülsenfrüchten, Polenta, Gries oder Couscous ein schmackhaftes Gericht zaubern. Und ihre Mutter fügt hinzu: „Beim Gemüse kann man mehr verwerten als sonst. Beispielsweise wenn man welkgewordenes trotzdem noch dünstet.“ Auch die Blätter von Radieschen und Kohlrabi ließen sich gut mitverwerten, beispielsweise als Grundlage für eine Suppe.

Aus den zahlreich gebunkerten Tomatendosen kann man eine Tomatensuppe kochen – die knallrote Farbe sorgt automatisch für gute Stimmung. Jetzt ist aber auch die Zeit, einmal etwas Neues auszuprobieren und Dinge zu kochen, für die man sonst nie Zeit hat. „Man muss aus Krisen das Beste machen“, hat Hedwig Maria Stuber gelernt. Vielleicht gehört dazu, wieder mehr selbst zu kochen.

Der Geruch, der sich nach dem Kochen in der Küche ausbreitet, verbreitet Geborgenheit. Und die ist in diesen Tagen der Unsicherheit unbezahlbar.

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