Eines wurmte Martin Schröder, Professor für Soziologie an der Philipps-Universität Marburg, immer wieder: „Warum sollten nur Fachleute erfahren, wann Menschen zufrieden sind?“, fragte er sich. Und fand, nun ja, keine zufriedenstellende Antwort. Deshalb beschloss Schröder, seine Forschungsergebnisse nicht nur in soziologischen Fachzeitschriften zu veröffentlichen, sondern auch ein Buch zu schreiben. Dieses Buch trägt den Titel: „Wann sind wir wirklich zufrieden?“
Das Besondere: Es liefert fundierte Antworten. Denn die basieren auf einer riesigen Datenmenge, dem sogenannten Soziooekonomischen Panel, kurz SOEP. Dafür wurden seit 1984 exakt 84 954 Menschen befragt, wie zufrieden sie mit ihrem Leben sind, und das immer wieder – insgesamt 639 144-mal. „Obwohl Deutschland mit dem SOEP die weltweit beste Datenbasis hat, um die wichtigste Frage von allen zu beantworten, hat sich bisher niemand die Mühe gemacht zu berechnen, wann Menschen tatsächlich zufrieden sind!“, staunt Schröder. Bis jetzt. Auf mehr als 250 Seiten entschlüsselt er das Rätsel um unsere Zufriedenheit. Der mit Abstand wichtigste Faktor: Gesundheit! Ein besonders wertvolles Gut – vor allem in der Corona-Krise. Hier die Ergebnisse im Detail.
Wer sich gesund fühlt, ist absolut zufrieden
Nichts beeinflusst die Zufriedenheit von Menschen so stark wie ihre Gesundheit. „Bei einer Person, die sich für sehr ungesund hält, können Sie fast sicher sein, dass sie sehr unzufrieden ist“, sagt Experte Schröder. Er sagt auch: „Es gibt kaum etwas, das die Zufriedenheit so stark senkt wie Krankheit und Schmerz.“ In Zahlen ausgedrückt bedeutet das konkret: Wer sich schon immer für sehr ungesund hielt, ist gigantische 42 Punkte unzufriedener, als wer sich schon immer für sehr gesund hielt. Nun muss man wissen: Die Befragten geben ihre Bewertungen auf einer Skala von 0 bis 100 ab; 0 steht für „absolut unzufrieden“, 100 für „ich könnte nicht zufriedener sein“. 42 Punkte Unterschied sind demnach eine gewaltige Menge! Die gute Nachricht lautet aber: Grundsätzlich hat jeder einen Spielraum, um durch sein Handeln auch seine Zufriedenheit zu erhöhen. Denn: „Nur“ ein Drittel unserer Zufriedenheit ist durch Gene bestimmt, ein zweites Drittel durch kurzfristig veränderbare Umstände und das letzte durch langfristig veränderbare Lebensumstände (Kasten).
Es kommt tatsächlich auf die Ernährung an
Man muss es wahrlich nicht übertreiben, aber gesunde Ernährung zahlt sich zweifelsohne aus, in mehrfacher Hinsicht: Denn wer sehr stark auf seine Ernährung achtet, ist um 2 Punkte zufriedener als während der Zeit, in der er dies eben nicht tut. Und: Auch ist der Teil der Bevölkerung, der seine Ernährung im Blick behält, um ganze 8 Punkte zufriedener als derjenige, der sich so gar nicht dafür interessiert. Bemerkenswert: Auch neuseeländische Forscher haben herausgefunden, dass gesunde Ernährung dazu führt, sich besser zu fühlen. Umgekehrt führt Zufriedenheit nicht automatisch zu gesünderer Ernährung!
Übergewicht macht unzufrieden …
… Abnehmen allerdings auch, das belegen Schröders Auswertungen eindeutig. „Sowohl Männer als auch Frauen sind unzufriedener, wenn sie über ihrem Normalgewicht liegen“, sagt er. Allerdings: „Während Frauen stärker leiden, wenn sie zu dick sind, leiden Männer mehr, wenn sie zu dünn sind.“ Da aber Diäten per se keine Bonuspunkte auf der Zufriedenheitsskala bringen, bleibt letztlich nur eine Einstellungsänderung übrig: Wenn ich abnehme, lebe ich gesünder – zumal Übergewicht zahlreiche Folgeerkrankungen nach sich zieht, wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und danach, so rät Schröder: Am besten auf gesunde Ernährung achten.
Sport tut gut – Körper und Seele
„Tatsächlich ist der Teil der Bevölkerung, der schon immer oft Sport gemacht hat, um enorme 8 Punkte zufriedener als der Teil, der noch nie Sport gemacht hat“, sagt Schröder. Aber: Obwohl Sportler also tatsächlich viel zufriedenere Menschen sind, wird eine unsportliche Person nur etwas zufriedener, wenn sie öfter Sport macht – „der maximale Effekt von 1,6 Punkten ist nur mittelschwach“. Deshalb stellt sich am Ende folgende Frage: Bedingt der Sport die Zufriedenheit – oder die Zufriedenheit den Sport? Forscher haben darauf eine recht pragmatische Antwort gefunden, indem sie von einer „positiven Feedbackschleife“ ausgehen – bei der Sport die Lebenszufriedenheit erhöht und diese höhere Zufriedenheit wiederum sportliche Aktivitäten begünstigt. Die Motivation spielt allerdings durchaus eine Rolle: „Wer sagt, er mache Sport für seine Gesundheit oder Fitness, ist immerhin 0,8 Punkte zufriedener. Wer Sport zum Spaß oder Ausgleich macht, ist noch einmal 1,1 Punkte zufriedener. Wer jedoch Sport vor allem als Wettbewerb ansieht, wird durch Sport nicht zufriedener“, sagt Schröder.