Also, einige Sachen finde ich an der Corona-Krise doch ganz gut. Eine davon: Sie motiviert viele Senioren um mich herum dazu, ihr bisher doch eher lauwarmes Verhältnis zum Laptop oder Smartphone deutlich zu intensivieren. Denn gerade in diesen Wochen zeigt sich die Nützlichkeit solcher Technologien in Sachen keimfreier Sozialkontakte so richtig.
Kommt Ihnen dieser Gedanke bekannt vor? „Das ist mir alles zu kompliziert und umständlich mit diesem Internetzeug. Ich werde nächstes Jahr 70, das lernt man in meinem Alter nicht mehr.“ Das jedenfalls war lange der Standpunkt einer guten Bekannten von mir. Vor Kurzem, am Telefon, war davon aber plötzlich keine Rede mehr. Vielmehr erzählte sie mir begeistert von der gemeinschaftlichen Videokonferenz zwischen ihr und den Familien ihrer beiden Töchter. So viel Spaß hatte sie gehabt! Schon seit Beginn des Kontaktverbots fliegen außerdem täglich mehrfach lustige WhatsApp-Nachrichten zwischen ihr und ihren vier Enkeln hin und her. Abschließend verkündete sie, sie und ihre ältesten beiden Enkel hätten sich jetzt auch online zum UNO-Spielen verabredet. Dank einer speziellen Software namens Tabletop Simulator – deren Verkaufszahlen seit März 2020 dank Corona offensichtlich explodiert sind – sei das kein Problem, erklärte sie mir stolz.
Ich sag’s ja immer: Lernen ist nur eine Frage der Motivation, nicht des Alters! Genau genommen sind gerade Computer und neue Medien in vieler Hinsicht sogar ideal, dem Älterwerden ein Schnippchen zu schlagen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass kaum eine andere Aktivität unser alterndes Gehirn so vielseitig und umfassend herausfordert und damit Abbauprozessen vorbeugt. Eine 2018 veröffentlichte US-amerikanische Studie belegt das eindrucksvoll: Sie begleitete vier Jahre lang knapp 2000 Probanden jenseits der 70 – und bewies: Wer regelmäßig am Computer saß, wirkte Demenzerscheinungen sehr effektiv entgegen. Das galt sogar für diejenigen Studienteilnehmer, die das ApoE4-Gen besaßen (das als einer der Risikofaktoren für Alzheimer gilt).
Ein weiterer Riesenvorteil der neuen Technologie: Rein körperlich verlangt sie uns nicht viel ab. Selbst physisch bereits stark eingeschränkte Menschen schaffen es noch problemlos, ein Keyboard oder ein „Gamepad“ zu bedienen. Mit den Enkeln um die Wette zu rennen, funktioniert mit 80 Lenzen vielleicht nicht mehr so gut – sie beim Online-Schach oder -Scrabble zu schlagen, dagegen umso besser!
Carl Honoré schreibt in seinem wunderbaren Buch „Faltenstolz“ dazu: „Viele Online-Interaktionen sind textbasiert, was bedeutet, dass man hier Wert auf eben jene Eigenschaften legt, die ihren Feinschliff erst mit zunehmendem Alter erhalten: Wissen, Sozialkompetenz, Wortgewandtheit.“
Und was kann man online nicht alles tun und erleben, wenn die Grenzen von Zeit und Raum aufgehoben sind! Man kann Kurse aller Art besuchen, von Yoga über Spanisch bis zu hin zu Gitarre – oder vielleicht selbst welche geben? Man kann sich für soziale oder politische Ziele engagieren und mit Gleichgesinnten vernetzen. Sich auf virtuelle Museumsrundgänge oder Konzertbesuche begeben oder, Dank entsprechender Apps und „Virtual Reality“, sogar gleich auf Weltreise gehen. Um noch einmal Carl Honoré zu zitieren: „Die Technologie kann uns im späteren Leben Flügel verleihen und uns mit der Welt in einer Art und Weise verbinden, die über den alternden Körper hinausreicht.“
Bleiben Sie also in Sachen neue Technologien auf Draht – jetzt während, aber auch nach Corona. Ihre Glücksbilanz wird es Ihnen danken!
Die renommierte Diplom-Psychologin und Buchautorin schreibt, warum es so wichtig ist, sich in der aktuellen Corona-Krise mit dem Internet doch noch anzufreunden. Zumal: „Genau genommen sind gerade Computer und neue Medien in vieler Hinsicht sogar ideal, dem Älterwerden ein Schnippchen zu schlagen.“