Verläuft eine Corona-Infektion schwer, kann eine künstliche Beatmung Patienten das Leben retten. Doch: Genau diese Behandlung kann der entzündeten Lunge auch selbst schaden. Verhindern kann das vielleicht bald ein digitales Lungenmodell, das Forscher der Technischen Universität München (TUM) entwickelt haben.
Problematisch ist vor allem die richtige Einstellung des Drucks. Denn anders als bei der natürlichen Atmung wird die Luft bei einer künstlichen Beatmung nicht angesaugt, sondern mit Überdruck in die Atemwege gepresst. Der Druck dient dabei auch dazu, die Lunge offenzuhalten und so den Gasaustausch zu ermöglichen, also die Aufnahme von Sauerstoff und Abgabe von Kohlendioxid an den hauchfeinen Wänden der winzigen Lungenbläschen.
Doch dazu müssen die Beatmungsgeräte möglichst optimal eingestellt sein. „Die Krux dabei ist, dass die Behandelnden bisher keine Möglichkeit hatten, eine Überdehnung zu erkennen“, erklärt Wolfgang Wall, Professor für Numerische Mechanik an der TU München. Klinischer Standard sei daher, die Einstellungen für die Beatmung über das Körpergewicht mit einer Faustformel zu ermitteln. Speziell für Covid-19-Patienten hat man bei der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) vor wenigen Tagen auch ein Positionspapier für Ärzte erstellt.
Geht es nach den TUM-Forschern könnte ihnen digitale Technik dies bald einfacher machen. Sie haben nämlich in jahrelanger Arbeit eine Software entwickelt, die ein digitales Modell der Lunge des Kranken auf einem Bildschirm erschaffen kann – berechnet aus den Daten einer Computertomografischen (CT) Aufnahme des Patienten. Aus der Druck- und Volumenänderung während eines Atemzuges errechnet der Computer zudem Werte für die mechanischen Eigenschaften der Lunge. Das gelinge so präzise, dass das Programm sogar voraussagen könne, welche Einstellungen zu Schäden führen würden.
Bei der Erstellung des Lungenmodells setzen die Forscher auf Künstliche Intelligenz (KI) – und haben damit auch ein Werkzeug entwickelt, das allein anhand von Aufnahmen der Lunge eine frühe Diagnose von Covid-19 erlauben soll.
„Über 80 Prozent der Todesfälle infolge von Covid-19 sind auf akutes Lungenversagen zurück zu führen. Bei längerfristiger künstlicher Beatmung von Patienten sinkt die Überlebensrate derzeit auf etwa 50 Prozent“, sagt Wall. „Ziel unserer Arbeiten ist es, dass in Zukunft an jedem Beatmungsplatz ein digitales Lungenmodell bei der optimalen Einstellung der Beatmung hilft – und wir so die Überlebenschance deutlich erhöhen.“ ae