Was Antikörper-Tests wirklich können

von Redaktion

War das nun eine heftige Grippe oder womöglich doch Covid-19? Diese Frage stellen sich gerade viele, die eine Atemwegs-Erkrankung durchgemacht haben. Mancher setzt auf einen Antikörpertest, um Klarheit zu bekommen – so auch Leserin Regina Meier*, die positiv getestet wurde. Doch was sagt das aus? Eine Spurensuche.

VON ANDREA EPPNER

Es war am 20. Januar, als es Regina Meier (*Name geändert) richtig erwischte. „Ich spürte, dass da eine Grippe im Anflug ist“, erzählt die 53-jährige Bäuerin aus dem Kreis Mühldorf. Wenig später geht es ihr richtig schlecht. Sie liegt mit Fieber im Bett, dazu ein trockener Reizhusten. „Das hat richtig wehgetan“, sagt sie. Tagelang verbringt sie im Bett, zwei Wochen schafft sie es nicht in den Stall. Danach folgt ein Auf und Ab. „Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine solche Grippe gehabt zu haben.“

Damit hätte die Geschichte enden können – wäre da nicht dieses neue Coronavirus in Europa aufgetaucht. Und Meier, immer noch matt und auch ein wenig kurzatmig, fragte sich irgendwann: Gibt es da vielleicht einen Zusammenhang? Zumal es viele Wochen nach ihr eine Verwandte erwischt hatte, mit ähnlichen Symptomen – und die sei positiv auf das neue Coronavirus getestet worden.

Meier fing an zu rätseln: Würde das nicht auch diese ungewöhnlich heftigen Beschwerden bei ihr selbst erklären? Vielleicht war das Virus ja doch schon früher nach Deutschland gekommen als gedacht? Jetzt will sie es genau wissen. Beim Arzt ihrer Verwandten lässt sie sich Blut abnehmen. Kaum eine Woche später hält sie den Laborbefund in Händen. Tatsächlich, nach „SARS-CoV-2-IgG-Ak“ steht da ein Plus. Positiv. So wie Meier vermutet hatte.

Was ihr da noch nicht klar ist: „Bei solchen Antikörper-Tests muss man wissen, dass diese nicht zu 100 Prozent sicher sind“, warnt Dr. Markus Frühwein, Allgemein-, Tropen- und Reisemediziner in München. Das bestätigt auch Prof. Franz-Xaver Reichl, Beauftragter für die Biologische Sicherheit von Bakterien und Viren an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Wer akut krank ist, erhält nämlich einen anderen Test: Haben Patienten typische Symptome, nimmt man einen Rachen-Abstrich. Es folgt ein PCR-Test. Damit lässt sich das Erbgut der Coronaviren aufspüren – und damit sehr sicher nachweisen, ob jemand infiziert ist.

Liegt die Erkrankung aber schon länger zurück, wie bei Patientin Meier, bleibt nur ein Test auf Antikörper im Blut (siehe Kasten). Diese sind frühestens nach etwa zwei Wochen nachweisbar; bei Covid-19-Patienten oft sogar erst viel später. Bei Meier sollte das somit kein Problem sein.

Aber: Ist die Stärke der Beschwerden ein Indiz dafür, dass es bei ihr keine Grippe war? Das kommt wohl darauf an, was man mit „Grippe“ meint: eine banale Erkältung, oft „grippaler Infekt“ genannt, die viele jedes Jahr erwischt – oder doch eine Influenza, also die echte Grippe? „Die Influenza ist eine heftige Erkrankung“, sagt Frühwein. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Patienten viele Wochen brauchten, um sich davon zu erholen. Gerade für Ende Januar, als es in Deutschland viele Fälle gab, sei das die weitaus wahrscheinlichere Erklärung.

Dass das neue Coronavirus schon früher nach Deutschland kam als bekannt, sei zwar nicht auszuschließen, aber eben auch reine Spekulation. Klar ist zudem: Ein einzelner positiver Antikörper-Test, viele Monate nach einer Erkrankung, ist dafür kein ernst zu nehmendes Indiz. „So etwas müsste man dann schon epidemiologisch untersuchen“, sagt Frühwein.

Auch Meier ist sich nicht mehr so sicher, was ihr Testergebnis wirklich bedeutet. Sie hat inzwischen gehört, dass viele Antikörpertests nicht sehr verlässlich sind. Doch woran erkennt man das? Ein wichtiger Faktor ist die Sensitivität: „Sie gibt den Prozentsatz der Betroffenen an, bei denen die Infektion tatsächlich erkannt wird“, erklärt Experte Reichl. Liegt sie bei 100 Prozent, wird also jeder Erkrankte erkannt. So soll das etwa bei dem neuen Test der Firma Roche sein, der bald verfügbar sein wird.

Entscheidend ist aber noch ein anderer Wert „Die Spezifität sagt aus, wie viele Gesunde vom Test auch tatsächlich als gesund erkannt werden.“ Es kommt nämlich auch vor, dass ein Test ein positives Ergebnis zeigt, obwohl etwa nur Antikörper gegen andere Coronaviren vorliegen. Dann erhält der Patient ein positives Ergebnis, obwohl er gar nicht mit Sars-CoV-2 infiziert war.

Das wäre also auch bei Meier eine mögliche Erklärung. Die Spezifität ihres Tests lag nach Angaben des Herstellers bei 99,1 bis 99,6 Prozent. Klingt hoch. Doch schon ein geringer Fehler kann hier stark ins Gewicht fallen, wenn man der Anteil der Infizierten in der Bevölkerung niedrig ist, wie Prof. Oliver T. Keppler, Virolge am Max von Pettenkofer-Institut der LMU München erklärt. Diese Durchseuchung kann sich regional stark unterscheiden.

Für deutsche Ballungsräume gingen noch unveröffentlichte serologische Studie hier von etwa einem Prozent aus. Damit hätte dort einer von 100 Menschen die Erkrankung bereits überstanden. Liegt die Spezifität eines Tests dann zum Beispiel bei 98 Prozent, werden drei Personen ein positives Ergebnis bekommen. Dabei war nur einer wirklich an Covid-19 erkrankt. Bei den beiden anderen lag der Test daneben. „Ein Münzwurf ist damit näher an der Wahrheit“, stellt Keppler dazu fest. Die Nachkommastellen sind also entscheidend. Mit einer Spezifität von 99,81 Prozent ist der Test „Elecsys“ der Firma Roche, der bald erhältlich sein wird, hier genauer.

Privatpersonen rät Reichl generell eher von Antikörper-Tests ab. Solche seien wichtig für die Forschung, etwa um die Dunkelziffer der Infizierten in der Bevölkerung aufzuklären. Für den Einzelnen habe das Ergebnis aber keinen praktischen Nutzen. Auch wer positiv getestet wurde, müsse sich weiter schützen – und dürfe sich auf keinen Fall in falscher Sicherheit wiegen.

Denn: Selbst wenn der Test richtig lag, ist immer noch unklar, ob eine Infektion tatsächlich zu einer Immunität führt – und wenn ja: für wie lange? Ob jemand geschützt ist, hängt also nicht nur davon ab, ob sich Antikörper in seinem Blut finden, sondern auch davon, wie viele es sind. Die Konzentration kann nach und nach abnehmen. So ist ein Testergebnis stets nur eine Momentaufnahme. „Wer dadurch sorglos wird, bringt sich nur selbst in Gefahr.“

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