Einigermaßen amüsiert habe ich in den vergangenen Wochen die Medienberichte über den Ansturm auf die Wertstoffhöfe verfolgt. Überall lange Warteschlangen von Menschen, die ihren aussortierten alten Krempel dringend loswerden wollten. (Ich stellte mir dabei die leidenden Gesichter all der Männer vor, die bis Corona ihre Frauen immer erfolgreich mit dem Satz „Ich mach das, wenn ich mal Zeit habe!“ in Schach gehalten hatten!) Die Münchner Kommunalreferentin Kristina Frank sprach in einem Interview gar von „tumultartigen Szenen“.
Letzteres ist natürlich sehr unschön und durch nichts zu entschuldigen. Aber es wundert mich nicht, dass die Corona-Krise das Ausmist-Bedürfnis bei so vielen Menschen intensiviert hat. Mal abgesehen vom ganz realen Aspekt der plötzlich freien Zeit, hat man natürlich jetzt, wo man fast ständig in den eigenen vier Wänden sitzt, auch eher das Bedürfnis nach einer Generalinventur dort. Nicht zuletzt schenken einem derartige Aktivitäten ein paar Erfolgs- und Kontrollerlebnisse – doppelt wichtig in diesen Wochen, wo so viel unkontrollierbar und frustrierend ist.
Die glücklich machende Wirkung von Aktivitäten wie Putzen, Aufräumen und Entrümpeln ist in der Psychologie tatsächlich gut belegt, auch jenseits von Corona-Krisen. Das liegt einfach daran, dass es dabei meist klar umrissene, greifbare Ziele gibt, nach deren Erreichung das Belohnungszentrum in unserem Gehirn sofort viele Glückshormone ausschüttet. Was sich dann sogar gesundheitsförderlich auswirkt: Eine Langzeitstudie der Universität Indiana an knapp 1000 Probanden fand ein deutlich reduziertes Risiko für Brustkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei denjenigen, die regelmäßig aufräumten und Dinge entsorgten. Auch bei der Stressbewältigung sind solche im buchstäblichen Sinne „klärenden“ Tätigkeiten hilfreich: Hat man in einer wütenden Stunde erst einmal die ganze Wohnung gesaugt, sämtliche Uralt-Zeitschriften weggeschmissen und drei Chaos-Schubladen neu sortiert, ist es meist auch in einem selbst wieder ruhiger und klarer geworden.
Verfechter der chinesischen Feng-Shui-Lehre behaupten ja: Gerümpel blockiert Lebensenergie – je mehr Gerümpel man um sich herum ansammelt, desto träger fließt diese Energie. Wer also im Außen Ordnung schafft, bringt gleichzeitig in und um sich herum den Energiefluss wieder in Gang. Und schafft auch neuen Platz in seinem Leben für gute Dinge (materielle wie immaterielle).
Die Bücher von Karen Kingston zu diesem Thema lesen sich sehr nett und erklären überzeugend, wie man sich sogar von emotional schwierigem Gerümpel trennen kann, etwa ungeliebten Geschenken oder Erbstücken. Aber auch unter ganz praktischen Gesichtspunkten kann es – gerade für Senioren – durchaus Sinn machen, hier und da einiges auszusortieren. Vor allem, wenn man lange am selben Ort wohnt, sammeln sich im Lauf der Jahre bei jedem von uns meist zu viele Dinge an. Hier den einen oder anderen Ballast abzuschütteln, den man nicht (mehr) wirklich braucht und liebt, das schafft ganz neue Freiheit, innerlich wie äußerlich. Denn: Der eigene Besitz besitzt einen auch immer! Er bindet Energie (und sei es nur, weil man ihn regelmäßig abstauben muss).
Probieren Sie es doch einfach mal aus, wenn Sie jetzt Lust dazu bekommen haben. Erfolgs- und Glücksgefühle sind dabei in jedem Fall garantiert und die Warteschlangen vor den Wertstoffhöfen mittlerweile sicher wieder auf Normalmaß geschrumpft.
Die renommierte Diplom-Psychologin und Buchautorin schreibt, warum es so wichtig ist, einfach mal daheim auszumisten.