Es gibt zwei Phänomene im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, die Mediziner beunruhigen: Zum einen trauen sich viele Patienten nicht in Praxen und Kliniken, wodurch sie wichtige Untersuchungen und Therapien versäumen. Zum anderen setzen manche Menschen einfach ihre Medikamente ohne Rücksprache mit dem Arzt ab – mitunter aus Angst, dass diese Mittel die Ansteckungsgefahr erhöhen könnten. Beide Verhaltensmuster halten Ärzte für sehr gefährlich.
Beispiel Bluthochdruck: Wer ihn nicht konsequent behandeln lässt, bringt sich gleich doppelt in Gefahr. Erhöhte Blutdruckwerte gehören zu den gefährlichsten Risikofaktoren für einen Schlaganfall, Herzinfarkt und viele andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Noch dazu stehe Hypertonie – so der medizinische Fachbegriff für Bluthochdruck – im Verdacht, den Verlauf einer Sars-Cov-2-Infektion negativ zu beeinflussen, erklärt Professor Dr. Christopher Reithmann, Chefarzt am Helios Klinikum München West in Pasing. „Gerade in Zeiten von Corona gilt es, rechtzeitig vorzubeugen und frühzeitig mit einer passenden Medikation gegenzusteuern.
Ganz wichtig ist es auch, bereits verschriebene Blutdruck-Medikamente nicht eigenmächtig – beispielsweise aufgrund der Berichterstattung im Zusammenhang mit Corona – abzusetzen. Das wäre sehr fahrlässig.“ Prof. Reithmann reagiert damit auch auf die hartnäckige Verunsicherung vieler Patienten, befeuert durch einige Wissenschaftler. Sie hatten öffentlich darüber spekuliert, ob Blutdruckmittel aus der Gruppe der ACE-Hemmer das Risiko für eine Ansteckung mit dem neuartigen Corona-Virus erhöhen könnten.
Doch aus dieser Debatte dürfe man nicht die falschen Schlüsse ziehen, warnen zahlreiche Experten. So betont unter anderem der Pharmakologe Professor Dr. Thomas Eschenhagen vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung: „Das Risiko durch ein Weglassen der Medikamente schwer zu erkranken oder sogar zu sterben, wäre wesentlich größer als durch eine erhöhte Ansteckungsgefahr.“
Wie wichtig es ist, rechtzeitig zum Arzt zu gehen und Medikamente korrekt einzunehmen, hat Herz-Patient Achim Brehme selbst erfahren. Der 62-jährige Mann aus München hatte lebensbedrohliche Engstellen in den Herzkranzgefäßen. Seine Ärzte konnten gerade noch rechtzeitig drei sogenannte Stents setzen – und damit einen Infarkt verhindern. Eine einschneidende Erfahrung, die Brehmes Sinn für Vorsorge und Risikofaktoren geschärft hat. „Mein Tipp an alle Leidensgenossen: Bei den Medikamenten nicht schludern und zumindest eine Zeit lang zwei Mal am Tag Blutdruck messen“, sagt Brehme. So bekommt man mal einen Eindruck, ob die Werte passen. Das kann lebensrettend sein!“