DIE HAUSARZT-KOLUMNE – NEUES AUS DER PRAXIS

2020 – das „Zeckenjahr“

von Redaktion

Die vergangenen Wochen waren in vielen Bereichen des täglichen Lebens gezeichnet von Entbehrungen. Auch unsere Freizeitmöglichkeiten waren massiv beschnitten. Theater, Kino, Schwimmbad, Gastronomie – alles war dicht. Das Einzige, was häufig blieb, war der Gang an die frische Luft. Der Aufenthalt im Freien war und ist auch jetzt noch für viele ein willkommener Ausgleich.

Aus medizinischer Sicht ist das stark zu befürworten. Egal, ob ausgedehnte Spaziergänge, Laufen, Fahrradfahren – die Bewegung in der Natur hält uns fit und stärkt unser Immunsystem. Aber Vorsicht: Auch hier lauern Gefahren! Insbesondere jetzt sind die Zecken wieder aktiv – und wie es scheint, wird 2020 ein richtiges „Zeckenjahr“: Der milde Winter sorgte dafür, dass die blutsaugenden Parasiten in großer Zahl auftreten. Mit einer steigenden Zeckenpopulation steigt aber auch die Gefahr für den Menschen, gestochen zu werden und sich mit Krankheitserregern zu infizieren: FSME und Borreliose spielen hierbei die größte Rolle.

Die FSME ist eine Viruserkrankung und deutlich seltener als die Borreliose, die durch Bakterien verursacht wird. In Risikogebieten tragen etwa 0,1 bis 5 Prozent der Zecken das FSME-Virus in sich, Borrelien dagegen bis zu 30 Prozent. Erfreulicherweise nehmen die meisten FSME-Erkrankungen einen milden oder symptomlosen Verlauf (etwa 70 bis 95 Prozent) mit lediglich grippeähnlichen Symptomen – ein bis zwei Wochen nach dem Zeckenstich. Aber manchmal schließt sich an diese erste Krankheitsphase eine zweite, die durch schwere Hirn- und Hirnhautentzündungen zu neurologischen Komplikationen wie dauerhaften Lähmungserscheinungen und im schlimmsten Fall sogar zum Tod des Patienten führen kann. Solch ernste Krankheitsverläufe sind bei Älteren und immungeschwächten Menschen häufiger.

Wie bei den meisten anderen Viruserkrankungen gibt es keine spezielle Therapie. Daher empfehlen wir allen Patienten in Risikogebieten und regelmäßigem Aufenthalt in der Natur die FSME-Impfung. Nach einer Grundimmunisierung mit drei Impfungen sollte – abhängig vom Alter – alle drei bzw. fünf Jahre eine Auffrischung erfolgen. Die Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

Übrigens: In seltenen Fällen kann man sich auch durch infizierte Rohmilch von Ziegen, Schafen und Kühen anstecken. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich. Auch eine Borrelieninfektion verläuft meist asymptomatisch oder leicht. Typisches Symptom im Frühstadium ist das „Erythema migrans“ – ein sich ausbreitender, rötlicher Hautausschlag meist um den Zeckenstich. Selten kommt es zu einer chronischen Verlaufsform mit Befall von Gelenken, Herz und Nervensystem. Eine Impfung steht bei der Borreliose nicht zur Verfügung. Dafür kann antibiotisch behandelt werden.

Nach jedem Aufenthalt im Freien sollte man sich und seine Lieben auf Zecken absuchen. Wird man fündig, den unliebsamen Gast mit einer Pinzette knapp oberhalb der Haut fassen und gerade herausziehen. Eventuell zurückbleibendes Beißwerkzeug ist nicht gefährlich und wird im Verlauf abgestoßen. Eine kurze ärztliche Vorstellung empfiehlt sich und sollte bei geringsten Symptomen schnellstmöglich erfolgen.

VON DR. SEBASTIAN BRECHENMACHER

Der hausärztlich tätige Internist mit Praxis in Krailling (Kreis Starnberg) schreibt heute über Zecken, die FSME-Impfung und was im Fall des Falles zu tun ist.

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