Corona: Stark und fit gegen das Virus

von Redaktion

VON ANDREA EPPNER

Einfach mal daheim bleiben, in den sicheren vier Wänden – und das ganz ohne schlechtes Gewissen: Der eine oder andere mag das zu Beginn der Corona-Krise richtig genossen haben. Schließlich waren Fitnessstudios zu und viele Gymnastikkurse abgesagt. Selbst der innere Schweinehund konnte sich da entspannt zusammenrollen. Nie schien es derart leicht und bequem, etwas für seine Gesundheit zu tun.

Doch wer die Hochzeit der Pandemie für eine unsportliche Auszeit genutzt hat, sollte jetzt dringend wieder in die Gänge kommen: Dazu raten unsere Experten Prof. Henning Wackerhage, Sportbiologe an der Technischen Universität München (TUM), und sein Kollege Prof. Martin Halle, Leiter des Zentrums für Präventive Sportmedizin und Sportkardiologie an der TUM. Denn ein allzu bequemer Lebensstil kann gerade in Bezug auf das Coronavirus zum Problem werden – und das gleich in vielfacher Hinsicht.

Sport reduziert Covid-Risikofaktoren

Analysen vieler Krankendaten haben gezeigt: Das Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 ist umso höher, wenn bei Patienten bestimmte Risikofaktoren vorliegen. Und dazu gehören längst nicht nur solche, gegen die man nichts tun kann, also etwa ein höheres Alter oder eine Immunsuppression nach einer Organtransplantation. Auch Übergewicht, die Zuckerkrankheit Diabetes Typ 2 und vor allem Bluthochdruck stehen weit oben auf der Liste dieser Risikofaktoren – und alle drei lassen sich durch einen gesünderen Lebensstil sehr positiv beeinflussen oder teils sogar ganz ausschalten, wie Experte Halle erklärt. Sport sei eine Art Universalmittel, mit dem sich diese Risikofaktoren reduzieren ließen, ganz ohne Nebenwirkungen. Es sei zudem wichtig, zu wissen, ob man zum Beispiel Bluthochdruck hat. Da man das meist nicht spürt, ist es jetzt sinnvoll, das mal prüfen zu lassen.

Warum Fitte eher wieder gesund werden

Wer sich regelmäßig bewegt, baut damit aber nicht nur solche Risikofaktoren ab – und schützt sich damit indirekt vor den Folgen einer Infektion. Gut im Training zu sein, ist auch ein direkter Schutz: „Ein fitter Körper kann einfach besser mit der Erkrankung umgehen als ein schwacher“, sagt Sportbiologe Wackerhage – und das unabhängig von genetischen Faktoren. Er ist überzeugt: Würde man eineiige Zwillinge vergleichen – also zwei Menschen mit exakt denselben genetischen Voraussetzungen – „dann würde der fitte Zwilling besser durch die Erkrankung kommen als der schwache“. Das sieht sein Kollege Halle genauso. „Mit Fitness hat man bei jeder Krankheit bessere Karten“, sagt er. Dann erzählt er von einem Arztkollegen, gut trainiert, der sich selbst mit dem Coronavirus angesteckt hatte – und richtig krank wurde. Denn das könne natürlich auch Fitten passieren. „Er hat zehn Tage lang hohes Fieber gehabt“, erzählt Halle. Die hohe Körpertemperatur ließ den Ruhepuls auf Werte um die 110 Herzschläge pro Minute steigen. Normal wären um die 60. Das sei also eine gewaltige Belastung für das Herz-Kreislauf-System gewesen, erklärt Halle. „Praktisch wie bei einem zehntägigen Jogginglauf. Der Kollege sagt, er hätte das nicht überlebt, wäre er nicht so fit gewesen.“

Aktiv sein ist gut fürs Immunsystem

Doch trainiert man mit Sport nicht nur seine Muskeln, sondern auch sein Immunsystem? „Es gibt Studienautoren, die meinen, das belegen zu können“, sagt Halle. Er selbst ist da zurückhaltender, weil es an harten wissenschaftlichen Fakten fehlt. Es spreche aber einiges dafür, dass Sport das Immunsystem tatsächlich stärken könne. Man wisse aber eben noch nicht so genau, woher das kommt und wie es funktioniert. Die Aktivität des Immunsystems lasse sich nicht einfach messen – die Abwehr ist ein komplexes System. Auch Wackerhage sieht hier nicht genug Belege und warnt davor, den Infektionsschutz schleifen zu lassen, weil man zu sehr auf sein fittes Immunsystem vertraue.

Bewegung kann die Lunge schützen

Was allerdings sicher ist: Wer sich regelmäßig bewegt, tut seiner Lunge etwas Gutes – und die ist nun mal ein wichtiges Zielorgan des neuen Coronavirus. Nur: Wer den ganzen Tag auf der Couch oder auf dem Bürostuhl sitzt, muss wissen: „Im Sitzen werden nur etwa zwei Drittel der Lunge belüftet“, erklärt Halle. „Und was nicht belüftet ist, wird auch nicht durchblutet.“ So kommen auch Abwehrzellen, die Polizisten des Körpers, schlechter in diese Teile der Lunge. Zugleich wird Schleim schlechter abtransportiert, was es Viren und Bakterien erleichtert, sich einzunisten. Daher sei eine gut belüftete Lunge „weniger anfällig für Infektionen“. Was das mit Sport zu tun hat? Ganz einfach: Wer sich körperlich belastet, atmet tiefer und schneller. So wird die Lunge kräftig durchgepustet.

Nach dem Lauf mehr Abwehrzellen im Blut

Um Krankheitserreger abzuwehren, patrouillieren ständig Abwehrzellen durch den Körper. Halle sagt: „Nach einem kleinen Jogginglauf sieht man einen deutlichen Anstieg der weißen Blutkörperchen – also der Polizisten im Blut, die für das Immunsystem verantwortlich sind und Viren und Bakterien abfangen.“ Bereits zehn Minuten Bewegung pro Tag könnten die Zirkulation dieser Immunzellen enorm fördern.

Sicher trainieren – auch im Fitnessstudio?

Seit Kurzem sind Fitnessstudios in Bayern wieder offen. Zusammen mit Kollegen anderer Fachbereiche hat Wackerhage ein Hygiene-Konzept erstellt: Das sieht Schulungen für Mitarbeiter vor, Geräte müssen desinfiziert und Abstände gewahrt werden. Wichtig ist zudem eine gute Belüftung, eine begrenzte Zahl der Trainierenden – und Kurse nur mit geringer Intensität. Denn die kann sonst zum Problem werden. Coronaviren werden seltener über Oberflächen als über feine Tröpfchen beim Husten und wohl auch winzige, lange in der Luft schwebende Viruspartikel übertragen, sogenannte Aerosole. „Das größte Risiko im Fitnessstudio ist es, wenn viele Menschen zusammen in einem kleinen, schlecht belüfteten Raum hart trainieren“, sagt Wackerhage. Denn atme man in Ruhe etwa fünf bis zehn Liter Luft ein, könnten es bei maximaler Belastung schon mal mehr als 100 Liter werden. Ist unter den Trainierenden ein Infizierter, werde der „zur Virenschleuder“, sagt Wackerhage: Durch die schnelle Atmung pustet er nicht nur mehr Viruspartikel in die Luft. Da andere Trainierende beim Sport auch mehr belastete Luft einatmen, könnten sie eine hohe Virusdosis abbekommen. Dennoch hält Wackerhage das Training im Studio für sicher, zumal bei den aktuell niedrigen Infektionszahlen. Risikogruppen müssten sich aber besonders schützen. Und: Die Regeln müssten umgesetzt werden. „Es gibt natürlich immer schwarze Schafe“, sagt er.

Draußen sporteln ist am sichersten

Halle ist vorsichtiger, wenn es um Fitnessstudios geht: Jungen und Gesunden rät er zwar nicht davon ab, dort zu trainieren, sehr wohl aber Menschen mit erhöhtem Risiko. Zumal er schon von Patienten gehört hat, dass man sich längst nicht überall so gut an die Regeln hält. Zudem gebe es gerade jetzt im Sommer eine sicherere Alternative: draußen trainieren. „Im Freien ist die Infektionsgefahr am geringsten.“

Artikel 3 von 7