Hören Sie auf Ihren Bauch!

von Redaktion

VON SABINE MEUTER

Wichtige Entscheidungen im Leben sollte man stets rational treffen – das sagen die einen. Hör’ auf dein Bauchgefühl! Das raten die anderen. Und, was soll man sagen: Beide haben Recht. Denn unsere innere Stimme, unsere Intuition ist nicht nur ein guter Ratgeber. Sie warnt uns auch vor Gefahren.

Nur mal ein plakatives Beispiel: „Ein Feuerwehrmann weiß genau, wie lange er in einem Haus noch Flammen löschen kann – und wann es an der Zeit ist, zum Schutz seines Lebens das Weite zu suchen“, sagt Autor Florian Ilgen, der auch Bühnenshows rund um Gedankenphänomene macht. Dass der Feuerwehrmann das weiß, hat etwas mit seinem Erfahrungsschatz zu tun, der wiederum im Unterbewusstsein gespeichert ist. Ist Gefahr in Verzug, meldet sich in Sekundenschnelle diese innere Stimme, leise und warnend. Das ist übrigens auch der Grund, warum viele instinktiv nicht alleine bei Dunkelheit abgelegene Orte aufsuchen.

Der Zusammenhang mit der Magengegend ist beim Bauchgefühl allerdings irreführend. „Man weiß gar nicht so genau, wo dieses Gefühl herkommt“, sagt der Psychologe Tobias Maldei. Er befasst sich an der Universität Trier als Wissenschaftler mit diesem Thema. „Eine Entscheidung steht an oder Gefahr droht, und die einen merken etwas im Bauch, andere in der Brust oder auf der Schulter“, erklärt er. Im Sprachgebrauch eingebürgert hat sich aber „Bauchgefühl“.

Die im Körper spürbaren Emotionen stünden in Verbindung mit dem impliziten Gedächtnis, erklärt der Psychologe weiter. Dabei handelt es sich um den Teil des Gedächtnisses, der das Erleben und Verhalten eines Menschen beeinflusst – ohne dabei ins Bewusstsein zu treten. Der Vorteil des Bauchgefühls: „Es denkt schneller und auch gründlicher als der Kopf“, erklärt Autor Ilgen. Der Prozess dahinter: Man hat ein Erlebnis, eine Erkenntnis oder bekommt eine Information. Das wird alles in einer Art körpereigenem Archiv abgespeichert, und in Entscheidungs- oder Gefahrensituationen ruft die Intuition genau das im besagten Archiv ab, was sie gerade braucht. So weiß ein Mensch zum Beispiel sofort, dass er sich vor dem zum Schlag ausholenden Gegenüber wegducken sollte. Bewusst wahrgenommen und durchgedacht, würde dieser Vorgang viel zu lange dauern.

„Je mehr Erfahrungen und Erlebnisse man in einem Lebensbereich hat, desto zuverlässiger ist das Bauchgefühl“, sagt Maldei. Ein Problem sei jedoch, dass viele es verlernt hätten, ihr Bauchgefühl wahrzunehmen – viele Menschen seien davon überzeugt, dass Entscheidungen am besten auf rationaler Basis getroffen werden. Also suchten sie Argumente und wägten Vor- und Nachteile ab. Sie glaubten, dass Emotionen dabei außen vor bleiben müssten. Aus Sicht beider Experten ist das falsch. „Die besten Entscheidungen sind die, bei denen auch das Bauchgefühl Ja sagt“, davon ist Autor Ilgen überzeugt.

Die Wahrnehmung des Bauchgefühls lässt sich übrigens auch trainieren – was vor allem im Alter Sinn machen dürfte, zumal es Studien gibt, die darauf hinweisen, dass besagtes Bauchgefühl bei Senioren weniger ausgeprägt sein kann; US-Forscher haben etwa herausgefunden, dass ältere Menschen schlechter am Gesicht erkennen können, ob ein Mensch vertrauenswürdig ist. Dennoch: Etwa im Fall von Trickbetrug raten Polizeibeamte immer wieder dazu, aufs Bauchgefühl zu vertrauen. Zumal die meisten Opfer im Nachhinein zugeben, eben doch kein so gutes Gefühl „bei der Sache“ gehabt zu haben. Doch wie lässt sich die Intuition nun konkret trainieren? „Dazu gehört eine gehörige Portion Achtsamkeit im Alltag“, sagt Psychologe Maldei. Mit anderen Worten: Bestimmte Situationen bewusst wahrnehmen – vor allem mit Blick auf die dabei auftretenden Gefühle.

„Gefühle sollte man dabei wahrnehmen, wie sie sind. Aber: Man sollte sie nicht bewerten“, erklärt Maldei. Hilfreich kann sein, mehrmals am Tag kurze Meditationen einzulegen. Dabei geht es darum, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, in sich hineinzuschauen und zu sehen, wie es einem geht. „Das kann auch an der frischen Luft, etwa bei einem Spaziergang durch die Natur, geschehen“, sagt Experte Ilgen.

Er plädiert dafür, dass Menschen ihren Emotionen mehr Raum geben sollten. Wichtig sei dabei, das Bauchgefühl von anderen Emotionen wie Angst, Gier oder Liebe abzugrenzen. „Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Intuition untergeht und nicht wahrgenommen wird.“

Wichtig für das Bauchgefühl ist übrigens ein ausgeprägtes Selbstvertrauen. Man sollte sich also trauen, darauf zu bauen, dass das, was man fühlt, richtig ist. Das funktioniert, wenn man möglichst häufig intuitiv entscheidet. Im Klartext: Je öfter man sich von seiner Intuition leiten lässt, desto mehr kann man sich auf sein Bauchgefühl verlassen.

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