Wie eine Schraube eine OP erspart

von Redaktion

EXPERTENINTERVIEW Bio-Implantate lösen sich nach einigen Monaten selbst auf

Bei bestimmten Knochenbrüchen, Sehnen- und Bandverletzungen, aber auch Gelenkerkrankungen muss der Patient meist zwei Mal unters Messer. Der Grund: Zur Stabilisierung setzt der Operateur Schrauben oder andere Metall-Implantate ein, die nach der Heilung in der Regel wieder entfernt werden. Diese zweite OP können Spezialisten ihren Patienten jedoch ersparen – zumindest dann, wenn kleinere Knochen betroffen sind. Für zahlreiche Eingriffe gibt es sogenannte bioabsorbierbare Schrauben. „Diese Implantate bestehen aus Magnesium und beginnen nach einigen Monaten damit, sich von selbst aufzulösen. Sie sind leichter als die herkömmlichen Schrauben aus Titan, aber trotzdem sehr stabil“, erklärt Dr. Frank Meinhard Balensiefen vom Orthopädiezentrum München Ost (OZMO) in Haar. Der Fußchirurg, der auch Spieler der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft betreut, hat mit den „Phantomschrauben“ (Länge: zwei Zentimeter; Durchmesser: 2,7 bis 3,2 Millimeter) vor allem bei Hallux-Valgus-OPs gute Erfahrungen gemacht; unter Hallux Valgus versteht man einen Großzehenballen. Bei der Fehlstellung krümmt sich die große Zehe nach außen, der Ballen wölbt sich nach innen – hin zum anderen Fuß. Frauen sind zehnmal häufiger betroffen als Männer; jede Dritte hat dieses Problem.

In welchen Körperregionen werden die Bio-Schrauben eingesetzt?

An den Füßen, an den Fingern und Händen, am Ellenbogen, im Bereich von Oberarm und Schultergelenk, an den Knien sowie im Hüftbereich.

Bei welchen Erkrankungen bzw. Verletzungen verwenden die Ärzte die Magnesium-Implantate?

Nicht nur bei Knochenbrüchen und Fehlstellungen wie dem Hallux Valgus, sondern auch bei kleineren knöchernen Band- und Sehnenausrissen sowie bei sogenannten osteochondralen Frakturen. So nennt man Verletzungen, bei denen sich Knorpel-Knochen-Stücke im Gelenkbereich abgelöst haben. Auch bei Pseudoarthrosen können sie eine Alternative sein – in diesen Fällen ist die Knochenheilung gestört.

Welche Vorteile haben sie?

Zum einen machen die Bio-Schrauben die sogenannte Materialentfernung überflüssig, also die besagte zweite OP. Zum anderen eröffnen sie dem Operateur auch Flexibilität. Im Gegensatz zu herkömmlichen Schrauben, die meist aus Titan bestehen, sind die Implantate aus Magnesium weicher. Man kann sie beispielsweise während der OP kürzen, wenn sie zu lang sind, und sie damit genau auf die Anatomie des Patienten anpassen.

In welchen Fällen kommen die selbstauflösenden Schrauben nicht infrage?

Das häufigste und wichtigste Ausschlusskriterium ist die Osteoporose. Generell sind die Bio-Schrauben nicht für Eingriffe an mittleren und größeren Gelenken sowie an der Wirbelsäule geeignet. Auch bei einer akuten Infektion im OP-Gebiet sollten sie nicht eingesetzt werden.

Welche Komplikationen kann es geben?

Neben dem allgemeinen OP-Risiko besteht theoretisch die Gefahr, dass eine Schraube brechen kann und entfernt werden muss, wenn der Knochen nicht vollständig fest verheilt. Dies ist überaus selten.

Worauf muss der Patient achten, wenn er eine Bio-Schraube eingesetzt bekommt?

Es sollte nach der Operation zweimal der Verlauf mittels Röntgenaufnahmen kontrolliert werden.

Wie lange dauert es in der Regel, bis sich die Bio-Schraube aufgelöst hat?

Nach etwa einem halben Jahr erkennt man das Implantat im Röntgenbild kaum noch. Bei Patienten mit einer guten Knochenqualität geht es etwas schneller.

Interview: Andreas Beez

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