Die Topmodels aus dem Computer

von Redaktion

VON JÖRG HEINRICH

Wir erklären, wie das Geschäft mit den Fotomodellen funktioniert, die es in echt gar nicht gibt.

Was sind Robot Influencer?

Bisher haben „echte“ Stars und Models vor allem auf Instagram die Hauptrolle gespielt. Sie werben für Kosmetik und Mode, für Schmuck und Smartphones. Und sie kassieren für dieses „Influencen“ („Beeinflussen“) teilweise Millionen. Wenn US-Sängerin Ariana Grande auf Instagram mit einem neuen Handy posiert, muss der Hersteller dafür rund 850 000 Dollar bezahlen – pro Beitrag. Doch nun kommt die Konkurrenz aus dem Computer. Mehrere Designfirmen haben bildschöne Models wie Miquela Sousa oder Shudu Gram, wie die Französin Margot oder die Chinesin Zhi entworfen, die täuschend echt wirken. Sinead Bovell, ein echtes Model aus Kanada, ahnt in der „Vogue“ bereits: „Ich weiß, dass mir künstliche Intelligenz womöglich den Job wegnehmen wird.“ Für ihre neuen „Kolleginnen“ gilt, frei nach dem Lied von Kraftwerk: Sie sind Models, sie sehen gut aus – aber sie existieren nur im Rechner.

Wie erfolgreich sind die künstlichen Models?

Computerstars wie „Lil Miquela“ Sousa (instagram.com/lilmiquela) oder Shudu Gram (instagram.com/shudu.gram) haben im Internet bereits Millionen von Followern. Sie sind makellos schön, immer gut gelaunt, zicken nie und passen immer perfekt in ihre Kleidung. Sie verlangen auch nie höhere Honorare und haben in der Früh keine Ringe unter den Augen. Und sie müssen nicht, gerade in Corona-Zeiten, für einen Fototermin um die halbe Welt fliegen, mit allen negativen Folgen für die Umwelt. Ihre Erfinder stricken Geschichten um sie herum, die perfekt in die Welt der jungen Fans passen. So setzt sich Shudu, die demnach aus Südafrika stammt, für eine „diverse, bunte Welt“ ein. Ihr männlicher Kollege Blawko ist dagegen wild tätowiert, schockiert mit sarkastischem Humor – und erzählt gerne morgens von seinem „Kater“ aus der letzten, durchzechten Nacht. Dabei hat nur sein Erfinder den Computer heruntergefahren.

Wer ist der Superstar unter den Computer-Schönheiten?

Das derzeit berühmteste virtuelle Fotomodell der Welt ist Miquela Sousa. Doch ihre 2,6 Millionen Instagram-Follower nennen die Halbbrasilianerin liebevoll „Lil Miquela“, die kleine Miquela. Erfunden hat die 19-Jährige, die niemals altert, die Technikfirma Brud aus Los Angeles. Sie vermarktet ihr Geschöpf so geschickt, dass Miquela jährlich rund zehn Millionen Dollar an Honoraren und Werbegeldern einspielt. Mittlerweile singt sie auch – beziehungsweise, eine fremde Stimme singt für sie. Miquelas neuester Hit „Hard Feelings“ kommt bei YouTube schon auf über 2,3 Millionen Aufrufe.

Wie sieht die Zukunft aus?

Noch sind Miquela, Shudu, Margot & Co. reine Computer-Animationen ohne künstliche Intelligenz dahinter. Doch Sinead Bovell, das echte Model aus Kanada, weiß, dass die Karriere der Roboter-Influencer gerade erst begonnen hat: „Sie können bisher nicht selbstständig denken, lernen oder beim Posen eigene Varianten anbieten, so wie wir. Aber das wird sich bald ändern.“ Data Grid, ein japanischer Spezialist für künstliche Intelligenz, arbeitet bereits an digitalen Models, die sich auf Befehl in jede beliebige Pose werfen und ihren Gesichtsausdruck ändern. Der deutsche Versender Zalando ist an diesen Forschungen beteiligt – und muss wohl bald keine echten Models für seine Katalog-Fotos mehr anheuern.

Wie reagieren die echten Fotomodelle?

Sinead Bovell hat sich mit einigen Kolleginnen und Kollegen zur „Model Mafia“ zusammengeschlossen, einer Art Gewerkschaft, die für die Rechte echter, lebendiger Models kämpft. Aber auch sie denkt bereits über einen digitalen Zwilling nach. Dann könnte sie als echte Sinead in New York modeln – und gleichzeitig in Rio oder an der Côte d’Azur am Strand für Fotos posieren.

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