Ein Virus – zwei Krankheiten

von Redaktion

VON CHRISTINA BACHMANN

Windpocken gelten eigentlich als Kinderkrankheit. Weil sie hochansteckend sind, haben die meisten Menschen die juckenden Bläschen tatsächlich schon im Kindheitsalter hinter sich gebracht – einmal und nie wieder, das ist das Gute daran. Aber: Wer als Jugendlicher oder Erwachsener an Windpocken erkrankt, kommt oft nicht so glimpflich davon, sagt der Patientenbeauftragte des Deutschen Hausärzteverbandes, Jakob Berger. „Der Ausschlag tritt dann verstärkt auf, auch im Kopfbereich.“ Zudem könne es zu einer Lungenentzündung oder sogar zu einer Gehirnhautentzündung kommen.

Windpocken: Impfung auch als Erwachsener

Wer als Erwachsener noch keine Windpocken hatte, sollte laut Experte Berger eine Impfung erwägen. Viele Kinder bekommen diese heutzutage ohnehin – einzeln oder in Kombination mit der Masern-Mumps-Röteln-Impfung (MMRV). Aber: „Bestimmte Patientengruppen sollten diese Impfung auf jeden Fall nachholen“, rät der Hausarzt mit Praxis in Meitingen (Kreis Augsburg). Konkret: „Menschen mit starker Atopie, also Menschen, die zu Milchschorf und endogenem Ekzem neigen. Menschen mit Risikoerkrankungen im Atemwegsbereich und jene, die eine Organtransplantation bekommen sollen.“

Wer nicht weiß, ob er als Kind schon Windpocken hatte, kann das mit einem Bluttest feststellen lassen. Teils zahlen die Krankenkassen die Kosten dafür. Denn Anstecken kann man sich bei jemandem, der selbst Windpocken hat, sehr schnell. Das passiert über die Luft – und die Windpocken sind sehr ansteckend.

Erreger aus der Familie der Herpesviren

Ansteckungsgefahr droht aber auch von Menschen mit Gürtelrose. „Um sich an einer Gürtelrose mit Windpocken anzustecken, reicht offenbar ein kurzer Aufenthalt bei dem Erkrankten“, sagt Dermatologe Erik Senger. Ausgelöst durch den gleichen Erreger aus der Familie der Herpesviren, ist die Gürtelrose die Zweiterkrankung der Windpocken. Wer Windpocken hatte oder dagegen geimpft ist, trägt das Virus lebenslang in sich. „Das Virus zieht sich in die Ganglien, also die sensiblen Nervenstränge, zurück“, erklärt Experte Senger. „Dort verbleibt es sozusagen wie ein ,Schläfer’.“ Es wird von der eigenen Immunabwehr in Schach gehalten, kann aber reaktiviert werden – und Gürtelrose auslösen.

Gürtelrose: Vor allem auch Ältere betroffen

Wieso genau die Viren wieder in Aktion treten, ist laut Hausarzt Berger noch nicht abschließend geklärt. „Aber es hat immer mit einer Immunschwäche zu tun“, sagt er. So können etwa Stress oder starke Sonneneinstrahlung eine Gürtelrose hervorrufen. Kranke Menschen im Allgemeinen, besonders aber Tumorpatienten, die mit Substanzen behandelt werden, die das Immunsystem schädigen, sind gefährdet. Betroffen sind außerdem vor allem ältere Menschen, ergänzt Hautarzt Senger.

Bemerkbar macht sich die Gürtelrose oft schon vor dem typischen Ausschlag. „Bevor die Bläschen auftreten, kommen manche Patienten und sagen: ,Ich habe hier so Schmerzen im Brustkorbbereich.’ Obwohl man da noch gar nichts sieht“, sagt Berger. „Das hängt mit der Nervenentzündung zusammen. Schaut man nach ein paar Tagen nach, findet man die gruppierten Bläschen.“

Gefährlich und sehr schmerzhaft kann die Gürtelrose vor allem im Gesichtsbereich werden, wenn sie den Trigeminusnerv befällt und sich Augen oder Ohren entzünden können. Vorwiegend tritt sie jedoch im Rumpfbereich auf.

Erkrankung schnell behandeln lassen

Generell gilt: Mit einer Gürtelrose sollte man schnell zum Arzt. „Je früher man geht, desto besser“, betont Hausarzt Berger. Dann kann der Patient noch sogenannte Virostatika einnehmen, die den Verlauf abschwächen. „Denn es kommt relativ häufig zu einer Gürtelrose-Neuralgie, bei der über Monate bis Jahre starke Schmerzen im Verbreitungsgebiet der Gürtelrose auftreten können.“ Diese Medikamente machen solch einen Verlauf unwahrscheinlicher.

Die meisten bekommen eine Gürtelrose, wenn überhaupt, nur einmal. Doch es gibt auch Fälle, wo Menschen mehrmals daran erkrankt sind. Hausarzt Berger überprüft auf jeden Fall nach einer Gürtelrose-Erkrankung noch mal gründlich das Blut des Patienten. „Es ist ja immer ein Zeichen, dass das Immunsystem in einer schwachen Position ist. Eine Gürtelrose kann sehr selten auch im Rahmen einer Tumorerkrankung auftreten oder ein frühes Anzeichen dafür sein.“

Gegen Gürtelrose gibt es eine Impfung

Die Stiko, also die Ständige Impfkommission des Robert Koch-Institutes, empfiehlt die Impfung für Patienten ab 60 Jahren und bei Risikopatienten schon ab 50 Jahren. Es sind zwei Spritzen im Abstand von mindestens zwei Monaten. „Das ist ein sogenannter Totimpfstoff“, erklärt Hausarzt Berger. „Die Verträglichkeit ist nach meinen Erfahrungen bisher relativ gut“, sagt er. „Es kann schon mal eine Schwellung an der Impfstelle geben und für einen Tag ein Grippegefühl. Aber: Sie schützt vor der Gürtelrose.“

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