Der Schlüssel ist schon wieder nicht zu finden, die Brille ständig verlegt. Und der Name des Restaurants, in dem Sie im Urlaub vor zwei Jahren fast jeden Abend gegessen haben, will Ihnen nicht mehr einfallen? Vielleicht fragen Sie sich dann: Ist das normal, liegt‘s am Alter – oder sind das gar erste Hinweise für eine Alzheimer-Demenz? Wir wollten es genauer wissen und haben anlässlich des heutigen Weltalzheimertages eine Expertin gefragt: Privat-Dozentin Dr. Katharina Bürger ist Oberärztin am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung (ISD) am Klinikum der LMU München.
Sollte man sich Sorgen machen, wenn man oft Dinge verlegt?
„Die Dosis macht das Gift“, sagt unsere Expertin. Jeder verlege ab und zu mal etwas. Hellhörig sollte man werden, wenn das immer öfter passiert – und wenn es mehr und mehr den Alltag bestimmt. „Natürlich nimmt unsere Hirnleistung im Alter ab“, sagt Bürger. „Generell muss man aber sagen: Wir werden langsamer. Nicht dümmer.“
Was sind frühe Anzeichen einer Alzheimer-Demenz?
Typisch sei, dass man sich an kurz Zurückliegendes immer schlechter erinnern kann: Wenn man also nach einem Gespräch nicht mehr weiß, worüber gerade geredet wurde. Oder wenn man einen Artikel in der Zeitung gelesen hat und sich prompt nicht mehr an den Inhalt erinnern kann. Das Langzeitgedächtnis ist indes nicht betroffen. „Wissen Sie nicht mehr, wie das Lieblingsrestaurant in Ihrem Kanarenurlaub vor zwei Jahren hieß, dann hat das nichts mit Alzheimer zu tun“, sagt Expertin Bürger. „Man sollte nicht bei jedem Vergessen gleich denken: Oh Gott, das ist jetzt Alzheimer.“
Welche Hinweise können später dazu kommen?
Bei der Alzheimerschen Erkrankung sterben nach und nach mehr Nervenzellen im Gehirn ab. Von einer Alzheimer-Demenz spricht man, wenn nicht mehr nur das Gedächtnis, sondern auch andere Hirnfunktionen leiden. Und: Wenn diese Beschwerden mindestens sechs Monate anhalten, stärker werden und im Alltag Probleme bereiten. Viele Patienten können sich später nicht mehr gut orientieren. „Ihr innerer Stadtplan verblasst“, beschreibt es unsere Expertin. Auffällig ist auch, wenn Dinge unerledigt bleiben, um die sich der Betroffene zuvor zuverlässig gekümmert hat. „Oder wenn sich eine sehr gesellige Person in großer Runde immer weniger am Gespräch beteiligt“, sagt Dr. Bürger. „Wichtig ist immer die Veränderung zu früher.“
Was sollte man bei solchen Veränderungen tun?
Zum Hausarzt gehen. Viele Praxen bieten kurze Gedächtnis- und Hirnleistungstests an. Der Hausarzt kann auch weitere nötige Untersuchungen veranlassen: So sollten MRT- oder CT-Bilder des Gehirns und Laboruntersuchungen ausschließen, dass andere, teils behandelbare Erkrankungen hinter den Beschwerden stecken wie eine Unterfunktion der Schilddrüse. Sind die Anzeichen unklar, wird der Hausarzt den Patienten zum Neurologen oder an eine Gedächtnissprechstunde überweisen, wie es sie auch am LMU Klinikum gibt (Tel. 089/4400-46046).
Wie bringt man den Betroffenen dazu, zum Arzt zu gehen?
Betroffene wollen ihre Einschränkungen oft nicht wahrhaben. Expertin Bürger rät: „Man kann dann als liebender Angehöriger sagen: ,Ich mache mir Sorgen um dich!’“ Auch ein gutes Argument: dass man keine behandelbare Erkrankung übersehen möchte. Helfen kann es zudem, die Untersuchung als eine Art Vorsorge zu deklarieren, erklärt Dr. Bürger. Der Ehepartner könnte vorschlagen, dass sich beide gemeinsam untersuchen lassen. Will der Betroffene trotz fortschreitender Erkrankung nicht zum Arzt, sollten sich Angehörige beraten lassen, um größere Schäden zu verhindern – etwa bei der örtlichen Alzheimer Gesellschaft.
Ist Alzheimer heilbar?
„Nein“, sagt Dr. Bürger. „Wir haben aber immerhin symptomatische Medikamente.“ Diese „Antidementiva“ verhindern nicht, dass weitere Hirnzellen absterben. Sie helfen aber den verbliebenen, besser zu funktionieren. Dazu erhöhen sie die Konzentration bestimmter Überträgerstoffe – „und halten so die Symptome für eine gewisse Zeit stabil“. Bei einem Teil der Patienten fällt Angehörigen zu Beginn der Therapie sogar eine leichte Besserung auf. Ein Durchbruch in der Behandlung ist trotz jahrzehntelanger Forschung noch nicht in Sicht. Fast alle Arznei-Kandidaten, die auf das „Amyloid“, ein krankhaftes Eiweiß im Gehirn, abzielen, haben sich als unwirksam erwiesen. Nur wenige sind noch im Rennen, wären aber nur in absoluten Frühstadien wirksam. Andere Kandidaten sind in der Testphase. „Wir brauchen noch einen langen Atem.“
Fragen & Antworten: A. Eppner