Diagnose Demenz: „Sie wollten es einfach nicht wahrhaben“

von Redaktion

Anna Schmidt (Name geändert) war stets eine gute Schwimmerin. Jahrelang ist die Oberföhringerin fast jeden Tag an den Feringasee geradelt. Und schwimmen wollte die damals 84-Jährige auch an diesem Morgen vor sechs Jahren; im Familienurlaub im Pool einer Finca auf Mallorca. Doch diesmal kommt alles anders: „Ich habe gesehen, wie meine Mutter einfach untergegangen ist“, erzählt Gabriele Suchantke-Rackner, 61. Sofort eilt sie der Mutter zu Hilfe. „Sie hat danach gesagt, sie habe einfach vergessen zu schwimmen.“

Der Tochter wird klar: Hier stimmt was nicht. „Das könnte eine Demenz sein“, denkt sie – und will mit ihrem Vater und ihren Geschwistern darüber sprechen. Doch: Die wollen nichts von einer Demenz wissen. „Ich glaube, sie hatten einfach Angst, wollten es nicht wahrhaben“, sagt sie. Dabei sei es so wichtig, früh miteinander zu sprechen. Genau darauf soll auch das Motto des heutigen Weltalzheimertages hinweisen. Es lautet: „Demenz – Wir müssen reden!“

Bis die Familie das jedoch schaffte, vergingen drei lange Jahre. Die Tochter versuchte in der Zeit viel zu helfen. Trotz Familie, Job und Haushalt besuchte sie die Mutter alle paar Tage. Diese lebte allein mit ihrem Mann, kochte noch selbst. Doch inzwischen gab es immer öfter „Nudeln mit Soße oder Nudelauflauf“ – andere Rezepte fielen der Mutter leider nicht mehr ein.

Erst 2017, als die Tochter nicht mehr kann, wird wieder über das Thema „Demenz“ gesprochen. Zuvor hatte sich die Tochter dazu bei der Alzheimer Gesellschaft in München beraten lassen. „Sie war mein Rettungsring“, sagt sie heute. Denn auch drei Jahre nach dem Vorfall im Pool gab es keine Diagnose. Die Tochter wusste noch immer nicht, warum ihre Mutter Schokolade in den Geschirrspüler räumt: Hatte sie nun Alzheimer – oder doch eine andere Form der Demenz?

Erst als die Tochter droht, sich aus der Verantwortung zurückzuziehen, lenken die anderen ein. Bei der Mutter wird schließlich eine „vaskuläre Demenz“ festgestellt. Hier führen verengte Blutgefäße im Gehirn zu den Ausfällen. Bei Patienten mit Alzheimer kommt dies oft noch dazu. Eine Diagnose zu haben, änderte vieles. Die Familie konnte jetzt zum Beispiel einen Pflegegrad beantragen und andere wichtige Dinge regeln.  ae

Artikel 2 von 8