GLÜCKSFITNESS – DAS SCHÖNSTE GEFÜHL IM BESTEN ALTER

Was Spätblüher mit dem besten Alter zu tun haben

von Redaktion

Es ist nicht zu leugnen: Der Sommer ist vorbei. In meinem kleinen Gärtchen ist das ganz deutlich sichtbar. Und obwohl ich die Hitze dieses Jahr teilweise auch gelegentlich etwas zu viel des Guten fand, fliegt mich um diese Jahreszeit angesichts des Herbstes doch auch immer ein Hauch Melancholie an. Gut, dass derzeit noch mal so viele schöne Stauden ihre Blüten öffnen und mich aufmuntern! Jetzt, im September, laufen Sonnenhut, Astern und Herbstanemonen bei mir erst richtig zu Höchstform auf.

Als Herbst- oder auch Spätblüher (englisch: „Late Bloomers“) werden diese Pflanzen in Gartenzeitschriften gern bezeichnet. Genauso heißt auch ein Buch des US-amerikanischen Autors Rich Karlgaard, das mir kürzlich in die Hand fiel. Allerdings geht es darin nicht um Blumen, sondern um Menschen, die ihr volles Potenzial im Vergleich zum Durchschnitt erst später im Leben entfalten. Die Psychologie beschäftigt sich in den vergangenen Jahren vermehrt mit diesem Thema. Mit ermutigenden Erkenntnissen!

So zeigte unter anderem eine große US-amerikanische Studie mit 50 000 Teilnehmern, dass manche kognitive Leistungen mit zunehmendem Lebensalter zwar tatsächlich abnehmen. Das gilt zum Beispiel für das Kurzzeitgedächtnis und die Mustererkennung. Andere Fähigkeiten aber entwickeln sich erst dann so richtig. Unseren Gipfelpunkt in Sachen sozialer Intelligenz erreichen wir beispielsweise erst zwischen 45 und 55 Jahren und den für verbales Wissen sogar erst jenseits des 65. Lebensjahres. Auch viele andere, sehr wertvolle psychische Qualitäten – zum Beispiel Gewissenhaftigkeit, emotionale Stabilität und Selbstwirksamkeitsüberzeugung – nehmen über die Jahre hinweg kontinuierlich zu, nicht ab. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, warum einige Menschen erst jenseits der Lebensmitte zur größten persönlichen Blüte gelangen. Manche entdecken erst spät ihre wahre Berufung. So schrieb Benoîte Groult – Sie kennen wahrscheinlich ihren berühmtesten Roman „Salz auf unserer Haut“ – ihr erstes Buch mit 52 und bis zu ihrem Tod mit 96 Jahren dann noch zehn weitere. Andere Menschen schlagen zunächst einmal einen eher konventionellen Lebensweg ein und sind mit den daraus resultierenden Aufgaben dann jahrzehntelang so beschäftigt, dass für ihre eigentliche Leidenschaft schlicht nicht genug Zeit bleibt. Anna Mary Robertson (Kunstfreunden bekannt als „Grandma Moses“) begann überhaupt erst mit 75 Jahren ernsthaft zu malen, tat das dann aber noch fast 20 Jahre und höchst erfolgreich.

Nun will ich natürlich nicht behaupten, dass in uns allen irgendwelche verborgenen Talente schlummern, die es mit 60+ auf Biegen und Brechen zu heben gilt. Viele Menschen wissen ja schon früher im Leben, wo ihre Stärken zu finden sind, und mit ein wenig Glück gelingt es ihnen auch, diese optimal einzusetzen. Aber auf jeden Fall möchte ich angesichts der Forschungsergebnisse eine Lanze für die Erkenntnis brechen, dass es für uns Menschen glücklicherweise nie zu spät ist, noch ein paar neue und vielleicht auch überraschende (Persönlichkeits-)Blüten zu treiben – sei es nun im beruflichen Umfeld oder in der Freizeit.

Bleiben Sie einfach offen für den Gedanken, dass auch in Ihnen noch das eine oder andere Potenzial auf Entfaltung wartet, aber ohne verkrampft danach zu suchen. Sollte sich ein zarter Keimling zeigen: Bitte vorsichtig mit einer Prise Mut düngen und gegen den kalten Wind von Selbstkritik und Perfektionismus schützen. Der schadet nämlich jeder Blüte, nicht nur der späten!

VON FELICITAS HEYNE

Die renommierte Diplom-Psychologin und Buchautorin schreibt, warum es so wichtig ist, auch jenseits der 60 offen für Neues zu bleiben – es ist nie zu spät für ein paar Persönlichkeitsblüten!

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