„Stellen Sie sich vor, Sie könnten den Tod treffen – ohne, dass er Sie gleich mitnimmt. Und Sie könnten ihm alle Fragen stellen, die Sie hätten.“ So beschreibt Rainer Simader die Idee das Buches, das er zusammen mit Prof. Claudia Bausewein geschrieben hat. Es heißt „99 Fragen an den Tod“. So viele Fragen haben die beiden gesammelt – von Menschen, die kurz vor dem Lebensende standen, und auch von deren Angehörigen, sagt Bausewein.
Anders als bei den meisten Menschen gehören der Tod und das Sterben für die beiden zum Berufsalltag: Simader ist Hospizexperte in Wien und Prof. Bausewein leitet die Klinik für Palliativmedizin am Klinikum Großhadern in München. Ihre Erfahrungen wollen sie mit ihrem Buch weitergeben und jedem Mut machen, sich mit dem Tabuthema Tod und Sterben auseinanderzusetzen und darüber auch zu sprechen – bevor es zu spät ist.
Zumal am Lebensende bei Sterbenden und Angehörigen „immer wieder ähnliche Themen auftauchen“, wie Bausewein sagt. Eine typische Frage, die viele Betroffene umtreibt, sei: „Tut Sterben weh?“ Die Antwort darauf ist gar nicht so einfach. So gehen Experten davon aus, dass das Sterben selbst kein schmerzhafter Prozess ist. „Es gibt Hinweise, dass in der Sterbephase körpereigene schmerzstillende Botenstoffe im Gehirn freigesetzt werden“, heißt es dazu im Buch. Diese Botenstoffe würden unter anderem die Schmerzwahrnehmung unterdrücken. Und: Schwerkranke erhalten ohnehin oft bereits schmerzlindernde Medikamente zur Behandlung ihrer Krankheit. Werden die Schmerzen stärker, kann man die Dosis erhöhen. Da sich Sterbende oft nicht mehr äußern können, ist es etwa an Angehörigen, körperliche Signale richtig zu deuten, etwa einen schnelleren Puls oder auch Unruhe.
Doch Schmerz betrifft am Lebensende oft nicht nur den Körper. Es gebe auch einen „seelischen Schmerz“, es gehe um „existenzielle Fragen“, sagt Bausewein. Auch solche Bedürfnisse bezieht die Palliativmedizin mit ein.
Doch wer glaubt, auf einer Palliativstation oder im Hospiz ginge es immer nur ernst zu, der hat ein falsches Bild. Diese Orte seien keine „traurigen Sterbehäuser“, sie seien viel lebendigere Orte, als viele vermuten. Und: Auch dort könnten sich „humorvolle Momente“ ergeben. Die Frage „Darf ich mit Sterbenden lachen?“ beantworten die Autoren daher mit einem klaren: „Ja!“ Selbst wenn die Bedürfnisse Sterbender sehr verschieden seien. Bekommen Pflegende mit, dass ein Bewohner im Zimmer eine TV-Komödie schaue, wunderten sie sich jedenfalls nicht.
Auch Simader warnt davor, sich nur auf das Leid zu fixieren. Eine hilfreiche Haltung sei es, den Mut und die Kraft, die viele Menschen am Lebensende noch haben, zu betonen „und sozusagen den Helden zu sehen, der auf seine letzte Reise geht“. Dann führe man vielleicht manche Gespräche anders, als wenn man sich in erster Linie auf den schwerkranken, leidenden Menschen fokussiere.
Dennoch: Mit dem Tod befassen sich die meisten erst, wenn das Lebensende naht. Die Autoren tun das dagegen jeden Tag, bei ihrer Arbeit. Bausewein beschreibt ihre Begegnungen mit Sterbenden und Angehörigen als „bereichernd“. Sie lehrten sie „dankbarer zu sein, nichts als selbstverständlich zu sehen“, sagt sie. Sie versuche ihr Leben so zu leben und so zu gestalten, „dass ich am Schluss dann hoffentlich auch so zurückschauen kann, dass ich sage: Ja, es war gut so.“