Schlaganfall: Notfall im Gehirn

von Redaktion

VON ANDREA EPPNER

Flott schwingt sich Rainer Schmid (*Name geändert), 56, raspelkurze Haare, bulliger Typ, aus dem Krankenbett. Er setzt sich auf die Bettkante, lässt die Beine baumeln. Es geht ihm wieder gut. Anders als vielen anderen Patienten auf Station 3A im Klinikum Harlaching. Das ist die „Stroke Unit“ – eine Spezialstation für Schlaganfall-Patienten.

Schmid ist seit einem Tag hier. Gerade war er „in der Röhre“. Die MRT-Untersuchung soll klären, was genau ihm Samstagfrüh widerfahren ist: „Nur“ eine vorübergehende Durchblutungsstörung des Gehirns, ohne bleibende Schäden? Mediziner nennen so etwas eine „transitorische ischämische Attacke“, kurz: TIA. Oder doch ein Schlaganfall?

Schon jetzt steht fest: Er hatte Riesenglück. „Ich könnte jetzt auch einer von denen sein, die sich kaum noch bewegen und nicht mehr sprechen können“, sagt er und deutet hinaus auf den Flur.

Wie sich das anfühlt, hat er selbst erlebt, minutenlang. Es ist Samstagfrüh, Schmid will gerade aufstehen. Da bemerkt er, dass sich sein rechter Arm taub anfühlt. „Ich dachte, der ist eingeschlafen.“ Er will sich aufsetzen. Das geht nur mit Mühe. „Ich konnte die ganze rechte Körperhälfte nicht richtig bewegen“, sagt er heute. Selbst der Kiefer fühlt sich komisch an. Schmid wird klar: Das könnte ein Schlaganfall sein. Er kennt die Symptome: Seine Tante hatte schon mehrere solcher Hirninfarkte.

„Schlaganfall“ will er seiner Frau zurufen. Damit sie sofort den Notarzt ruft. Doch sein Kiefer gehorcht ihm nicht richtig. „Ich konnte nicht mehr sprechen.“ Seine Frau versteht ihn trotzdem. Vor allem aber ist der Spuk bald von selbst vorbei: Zwei, drei Minuten – dann sind die Beschwerden so plötzlich weg. wie sie gekommen sind.

Doch der Schreck sitzt tief. „Wenn man so etwas erlebt, macht das Angst“, sagt er. Anders als viele Patienten geht er nicht einfach zum Alltag über. Er ruft seinen Hausarzt an und schildert ihm seine Beschwerden. Der rät ihm, sich sofort in der München Klinik Harlaching untersuchen zu lassen. Schmid zögert nicht.

Dort machen die Ärzte zunächst eine Computertomografie. Diese ist unauffällig. Doch selbst kurz nach einem Schlaganfall ist das so. Da Schmid keine Beschwerden mehr hat, verzichten die Ärzte auf eine „Lyse“, also auf Medikamente, die kleinere Gerinnsel im Hirn auflösen. „Er kam zur weiteren Abklärung und Überwachung auf die Stroke Unit“, sagt Dr. Dennis Dietrich, Oberarzt der Station. Denn selbst, wenn es „nur“ eine TIA war: Auch die ist ein Alarmsignal. „Wir haben sein Risiko berechnet, in der nächsten Woche einen Schlaganfall zu erleiden. Es liegt etwa bei sieben Prozent“, sagt Dietrich. „Das ist schon gewaltig.“

Diese Rechnung schließt auch Schmids andere Risikofaktoren ein: Blutdruck und Cholesterin sind zu hoch. „Und ich habe Übergewicht“, sagt er. „110 Kilo bei 1,85 Meter. Dabei war ich mal sportlich.“ Mit 30 ging er täglich joggen. Doch die Arbeit in seiner Kanzlei ist stressig. Stets will er alle Klienten zufriedenstellen. Sport und überhaupt die Gesundheit kamen da oft zu kurz. Das will er jetzt aber angehen. „Das war ein Warnschuss“, sagt er.

Ganz ohne Folgen blieb der allerdings nicht, wie sich später herausstellen wird. „Wir haben mehrere Durchblutungsstörungen im Gehirn entdeckt“, sagt Dr. Dietrich, als das Ergebnis der MRT vorliegt. Doch ein Schlaganfall also, allerdings ein kleiner. „Das zeigt einmal mehr, dass man auch vorübergehende Symptome keinesfalls unterschätzen sollte.“ Also sofort in die Klinik? „Die einzig richtige Entscheidung.“

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