Wird das Gehirn nicht mehr richtig durchblutet, bleiben nur Minuten bis zur Katastrophe. „Die Nervenzellen brauchen wahnsinnig viel Energie, wie ein richtiger Hochleistungscomputer“, erklärt Prof. Roman Haberl, Chefarzt der Neurologie an der München Klinik Harlaching. Das Blut liefert ständig frischen Sauerstoff nach. Doch bei einem Schlaganfall bleibt genau der aus. Wie sich langfristige Schäden dennoch verhindern lassen, lesen Sie hier.
Wie kommt es zu einem Schlaganfall?
„Das liegt an einem Gerinnsel“, erklärt Haberl. Ein solches kann sich direkt im Gehirn bilden; oder im Herzen: Wird es mit dem Blut ins Hirn gespült und verstopft dort ein Gefäß, ist ein Teil des Hirns vom Nachschub abgeschnitten – mit Folgen: „Hirnzellen fangen nach zwei bis drei Minuten ohne Blut und ohne Energie an zu sterben“, erklärt der Experte. „Darum muss man die Blutzufuhr so schnell wie möglich wieder herstellen. Je mehr Minuten vergehen, desto mehr Nervenzellen sind unwiederbringlich verloren.“ Wer die Anzeichen (s. Kasten) erkennt und den Notarzt ruft, kann oft eine Behinderung verhindern.
Zögern Patienten in Corona-Zeiten zu lang?
„Ja“, sagt Haberl. „Im März war das besonders schlimm. Da hatten wir ein Drittel weniger Schlaganfall-Patienten.“ Doch Schlaganfälle kennen keine Pause. „Jetzt, wo diese Patienten wiederkommen, sehen wir: Viele hatten inzwischen erneut Schlaganfälle oder TIAs.“ Das sind vorübergehende Durchblutungsstörungen des Gehirns. Den Notarzt sollte man in jedem Fall rufen – trotz Corona und so schnell wie möglich. Denn das Risiko, dass ein unbehandelter Schlaganfall zu bleibenden Schäden führt, ist größer als das einer Covid-19-Erkrankung. In den Kliniken werde alles getan, um das Infektionsrisiko zu minimieren, sagt Haberl. „Ob ein Schlaganfall klein bleibt oder groß wird, weiß niemand. Abwarten bedeutet, mit dem Schicksal zu spielen.“
Wie behandeln Sie die Betroffenen?
Der Patient wird sofort mit einem Computertomografen (CT) untersucht. Das dauert nur fünf bis zehn Minuten. Das ist aber wichtig, um eine Hirnblutung auszuschließen. Dann würde die „Lyse-Therapie“, die in den meisten Fällen folgt, nämlich alles nur noch schlimmer machen. Bei dieser „Lyse“ spritzen Neurologen ein Medikament, das stark blutverdünnend wirkt. Es kann kleinere Gerinnsel im Gehirn auflösen.
Und was hilft bei größeren Gerinnseln?
Dann holen Radiologen den Pfropf per „Thrombektomie“ mechanisch heraus: Über einen Zugang in der Leiste schieben sie dazu einen Absaugkatheter in den Gefäßen bis zu dem Gerinnsel im Hirn vor – und ziehen es raus. „Damit können wir heute auch große Schlaganfälle ohne bleibende Schäden behandeln“, sagt Haberl. Doch: Radiologen, die Erfahrung mit dieser Methode haben, gibt es in der Regel nur an großen Schlaganfallzentren wie dem in Harlaching. Darum holt man Patienten aus kleineren Kliniken zur Behandlung dorthin. In Harlaching testet man gerade eine Methode, die Zeit sparen soll: Von dort aus fliegen Radiologen per Hubschrauber zu Patienten in kleinen Kliniken – und führen den Eingriff vor Ort durch. Bei Ankunft ist der Patient schon vorbereitet. Im Schnitt dauere es so „89 statt 180 Minuten“ bis das Blut im Hirn wieder frei fließt. ANDREA EPPNER