von Redaktion

VON NICOLA FÖRG

Es begann vor zehn Jahren in einer Hoteltiefgarage, allerdings nur drei Monate lang, weil sich Anwohner beschwerten. Die Rede ist von der Münchner Tiertafel. Nach dem holprigen Start bezog man ein altes Stellwerkhäuschen an der Implerstraße, das den engagierten Ehrenamtlern über dem Kopf zusammenzubrechen drohte. Seit sechs Jahren hat die Münchner Tiertafel ihre Heimat in der Schwere-Reiter-Straße. Eine Institution, die dieser Tage notwendiger ist als je zuvor.

„Bedürftig sind längst Menschen, die nie gedacht hätten, sie kämen in Not. Da ist die alleinerziehende Mutter, die in der Gastronomie gearbeitet hat und keinen Job mehr besitzt. Da ist der Mittfünfziger, der sein ganzes Leben hart gearbeitet hat und krank wurde. Da sind Rentner mit Bezügen gerade so an der Grundsicherung“, erzählt Vorstandsmitglied Andrea de Mello. Sie alle eint, dass sie ein Haustier besitzen.

Karin Ratzek-Endreß vom Tierschutzverein Penzberg, die seit 2017 eine Tierfutter-Tafel betreibt, spürt den Druck ebenso. „Da sind sogar junge Leute mit einem Schicksalsschlag, es gibt nicht den Prototypen des Bedürftigen. Die Menschen sparen eher bei sich selber als bei dem Tier. Doch irgendwann gibt es keinen Spielraum mehr.“ In Penzberg konnte die „normale“ Tafel kein Tierfutter mehr ausgeben, zudem gab es Probleme über den Landkreis hinweg. Ratzek-Endreß wollte handeln. Sie gründete ihre Tiertafel unabhängig von der normalen Tafel – wer aber eine Berechtigung für die Tafel hat, der darf Tierfutter holen.

Auch in München müssen die letzten drei Leistungsbescheide – Hartz-IV- oder Rentenbescheid – vorgelegt werden. „Wir müssen Rahmenbedingungen haben“, sagt de Mello. Allerdings reitet niemand Prinzipien. „Es kommt auch mal jemand ohne Ausweis, das kann eine alte Dame sein, die sich so sehr schämt, die Angst hat, auf ein Amt zu gehen, und mir zuflüstert: Ich zeige Ihnen gerne meinen Rentenbescheid“, sagt Ratzek-Endreß.

Scham ist ein zentrales Wort, kaum jemand fühlt sich wohl, auf der Bettlerseite zu stehen. Die Helferinnen kennen natürlich das Argument: Da hat der nix zu fressen und hat auch noch ein Tier! Aber so ist es nicht. Keine Tiertafel unterstützt die Neuanschaffung eines Tieres, sondern nur jene Lieblinge, die schon vor der Notlage da waren. „Wenn ich denen das Tier wegnehme, dann klappen sie zamm“, sagt Ratzek-Endreß. „Das Tier ist oft das Einzige, für das man noch da sein kann. Für viele Ältere die letzte Lebensaufgabe. Das Tier gibt Selbstwertgefühl und Struktur.“ Das sieht auch de Mello so. „In München leben viele Menschen einsam. Wer einen Hund hat, muss ja noch spazieren gehen. Aber Katzenhalter sitzen viel zuhause. Für sie ist der Gang zur Tafel ungeheuer wichtig. Er bringt eben auch Kontakte zu Menschen.“

Jeder Abholer hat eine Geschichte, und die Damen der Tafeln sind weit mehr als eine Essenausgabe. Sie sind Psychologen, sie hören zu. „Schön ist, dass wir seit Jahren ein gutes Team sind“, findet de Mello. „Menschen in Not öffnen sich nicht so schnell. Wir müssen Vertrauen schaffen und das geht nicht, wenn der Bedürftige immer neue Gesichter sieht.“

Das empfindet auch Agathe Rank, die seit fünf Jahren eine Tiertafel betreibt. Sie geht noch einen anderen Weg – und der ist ganz schön aufwendig. Die Schäferhundezüchterin aus Pfeffenhausen organisiert in der Tat Deutschlands größtes Event zum VDH-Tag des Hundes mit einem riesigen Programm: U. a. eine Hundesegnung, eine Trickdog-Schau mit Leni und Wiggerl (2 Border Terrier bekannt aus „Das doppelte Lottchen“, „Die Bergretter“ etc.), eine Agility- Vorführung oder einen Stand der Tierklinik Kelheim, wo kostenlos das Gebiss der Besucherhunde von anwesenden Tierärzten untersucht wird. Der Reinerlös der Veranstaltung wird wie jedes Jahr in Form von Futter gespendet. Und das Futter bekommen Bezugsberechtigte mit Haustier der Rottenburger Tafel! Rank fährt dann einmal im Monat zur normalen Tafel, das Auto voll beladen. „Schau, da kommt die Futterfrau“, heißt es dann.

Spenden & Links

. In Märkten auf die Spendenboxen achten!

. www.tierschutzverein-penzberg.de www.tiertafel muenchen.de www.naglersee.de (Kontakt Agathe Rank)

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