An Lebkuchen, Stollen, Spekulatius und Glühwein kommen wir im Advent einfach nicht vorbei. So groß ist die Verführung, so herrlich der Genuss. Das ist auch überhaupt kein Problem – wenn man ein paar Zusammenhänge kennt: Die verrät Ihnen hier Dr. Anja Luci, Ernährungswissenschaftlerin bei der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH). Sie kennt all die kleinen Tricks und Alternativen, die dabei helfen, den größten Zuckerfallen zu entkommen. Und zwar ganz ohne Entbehrung und Verzicht!
Warum kommt es auf die Art des Zuckers an?
Der menschliche Körper braucht neben Fetten und Eiweißen auch Zucker aus Kohlenhydraten. „Zucker ist nicht gleich Zucker. Aber den gesunden Zucker gibt es leider auch nicht. Die Dosis macht stets das Gift“, erklärt Dr. Anja Luci. Dennoch gibt es kleine Unterschiede. Einfachzucker, die oft in industriell gefertigten Lebensmitteln enthalten sind, gehen sofort ins Blut. Damit sind starke Schwankungen des Blutzuckerspiegels samt Heißhungerattacken programmiert. Und: Ein Übermaß wird ohne Umwege in Fett umgewandelt – und findet sich dann als Speckröllchen auf Hüfte, Bauch und Po wieder. Das gilt auch für Zweifachzucker (Disaccharide) wie Milchzucker (Laktose) und Maltose. Dieser Malzzucker steckt im Bier und als Färbemittel in dunklen Brotsorten. Dagegen muss der Körper die langen Ketten der Mehrfachzucker, Polysaccharide genannt, aus Vollkorn, Gemüse, Salat, Nüssen und Kartoffeln erst mal aufspalten. „So gelangt Zucker deutlich langsamer ins Blut. Der Blutzuckerspiegel steigt nur langsam an“, erklärt Luci. Die Folge: Man fühlt sich länger satt. Heißhunger und die Lust auf immer mehr bleiben aus.
Worauf sollte man bei Fruchtzucker achten?
Fruktose ist Zucker, der natürlicherweise in Früchten und Honig enthalten ist, aber auch in Rohrzucker, Zuckerrüben und Sirup aus Maisstärke. Er ist ein Einfachzucker, beeinflusst den Blutzuckerspiegel aber nicht so stark. „Er galt lange als der gesündere Zucker. Aber das ist mittlerweile widerlegt“, sagt Luci. „Fruktose wird auch direkt in Fett umgewandelt, verhindert die Fettverbrennung und blockiert die Sättigung.“ Ähnlich wie nach einer Mahlzeit mit Nudeln oder Weißbrot ist der Hunger also schnell wieder da. In der Lebensmittelindustrie ist Fruktose sehr begehrt. „Sie ist billig in der Herstellung. Und doppelt so süß wie Glukose.“
Sind Trockenfrüchte die gesündere Wahl?
„Sie schmecken wunderbar“, schwärmt die Ernährungsexpertin über Trockenfrüchte – muss ihre Begeisterung aber gleich bremsen. „Datteln, Feigen und Rosinen und speziell die südlichen Sorten wie Mango, Melone, Papaya, Bananen, Cranberries und Ingwer sind in getrockneter Form enorm zuckerhaltig“, sagt sie. Eine kleine Handvoll davon sei völlig in Ordnung. „Essen Sie lieber keine Trockenfrüchte im Schoko-Mantel“, warnt sie jedoch. „Das sind wirklich extreme Zuckerbomben.“
Was ist mit frischem Obst und Nüssen?
Die Spitzenreiter unter den süßesten Früchten sind Äpfel, Birnen, Bananen, Kirschen, Mangos, Melonen, hochgezüchtete Trauben ohne Kerne und Ananas. „Auch Kiwis und alle Steinobstsorten gehören ins obere Drittel der süßesten Früchte“, verrät Luci. „Sehr gute Alternativen sind alle Beeren und Zitrusfrüchte wie Orangen.“ Und natürlich Nüsse. Dr. Lucis Tipp: „Ich kaufe Nüsse nur in der Schale und knacke sie selbst. So behält man den Überblick, greift nicht ständig in die Tüte – und vor allem weiß man, was drin ist.“
Welche Schmankerl befeuern Heißhunger?
Dass Lebkuchen, Stollen, Kekse und heißer Kakao fettig und süß sind, weiß jeder. In Maßen darf man sich solche kleinen Freuden gerade im Advent jedoch auch mal gönnen. Doch darf man etwas öfter zugreifen, wenn man Light-Produkte wählt? „Das Light-Versprechen bezieht sich meist nur auf einen Nährstoff“, warnt Luci. „Der Keks ist zuckerreduziert, dafür steckt mehr Fett als Geschmacksträger drin. Sonst würde das nämlich niemand essen. Das gilt auch für Frühstücks-Cerealien.“ Der Rat der Expertin: „Selbst backen mit weniger Fett und – wenn es passt – auch mal mit anderen Zuckersorten wie zum Beispiel Kokosblütenzucker. Kreativ sein, einfach mal herumprobieren.“
Sind Sandwiches besser als Bratwurst?
In den vergangenen Jahren gab es auf Weihnachtsmärkten oft belegte Sandwiches und Wraps – alles Weißmehlprodukte, die gesund aussehen, weil eine Tomatenscheibe und Salat drauf liegt. „Aber da sind eben auch fette Saucen drin“, warnt Luci. „Das ist nicht weniger gehaltvoll als eine Bratwurst.“ Auch Frucht-Smoothies presst unsere Expertin stets selbst: „Zwei Hände vom reifen Lieblings-Obst – mehr sollte es nicht sein“, sagt sie. Und: „Weil sich frisch gepresster Saft schnell verfärbt, sollte man ihn zeitnah trinken.“
Welche Speisen liefern hochwertige Zucker?
Ganz oben stehen Vollkornnudeln, -reis und -brot, ebenso wie selbst gemachte Joghurts und Müslis mit dem natürlichen Zucker aus der Milch. „Dazu eine Handvoll frische Cranberries, Nüsse und Haferflocken“, empfiehlt Luci. „Ein total gesundes Frühstück – und weit weg von all den Zuckerfallen wie Cornflakes und Fertigmüslis.“
Warum kann Süßstoff tückisch sein?
„Ich habe mal gelesen: Wer Süßstoffe isst, betrügt seine Zunge, nicht aber das Gehirn“, sagt Luci. „Das trifft die Sache auf den Punkt. Nehmen wir das Beispiel Cola light. Die Zunge meldet: Super, schmeckt süß. Das Hirn jedoch erkennt den Betrug. Es verlangt nach Glukose, also dem richtigen Zucker – und bekommt stattdessen künstlich hergestellte Süßstoffe wie Aspartam & Co.“ Die Folge: Die meisten greifen dann zeitnah doch zu etwas Zuckerhaltigem wie Schokoriegel, weil das Hirn eben keine Ruhe gibt. „Das einzig wahre, ursprüngliche Lebensmittel ist der normale Zucker.“ Die Süßpflanze Stevia bietet auch einen Zuckeraustauschstoff, der allerdings extrem süß und eher Geschmackssache ist.
Wie viel Zucker pro Tag darf es sein?
In Deutschland liegt der Jahresverbrauch von Zucker bei sagenhaften 35 Kilo pro Person. Das entspricht insgesamt rund 11 700 Stückchen Würfelzucker, also 32 Stückchen pro Tag oder 100 Gramm. Viel zu viel, warnt man bei der Weltgesundheitsorganisation WHO. Es sollte höchstens halb so viel sein. Nur: „In der Weihnachtszeit, überhaupt im Herbst und Winter und speziell jetzt in der Corona-Zeit hält das kaum jemand durch“, sagt die Ernährungsexpertin. „Wir wollen uns einfach mit Schokolade belohnen und beruhigen.“ Das zeigt sich leider bald gnadenlos auf der Waage. Es sei denn, Sie beherzigen Dr. Lucis guten Rat: „Setzen Sie den kleinen Sünden bewusst ein bisschen Sport entgegen durch Joggen, Walking, Radeln oder einfach mal den Heimweg zu Fuß. Oder Sie suchen sich auf YouTube ein kostenloses Sport-Training und turnen daheim vorm Laptop einfach mit – und wenn es auch nur eine Viertelstunde wäre.“
Wie ersetzt man Zuckerbomben?
Dafür hat unsere Expertin einige einfache Beispiele. „Wie wäre es mit einer Ofenkartoffel statt Pommes?“, fragt sie. Und: „Statt gebrannter Mandeln – eine Handvoll hat 500 Kalorien – könnte es mal heiße Maronen geben.“ Ein Bratapfel sei eine himmlische Alternative zu kandierten Paradiesäpfeln. Genauso wie frische Waffeln anstelle von Schmalzgebäck und Blätterteig. Warmer Schinken oder Lachs könnte die Bratwurst-Semmel ersetzen, die satte 600 Kalorien liefert, ebenso wie selbst gemachter Fruchtpunsch den zuckersüßen Glühwein (300 Kalorien pro Becher). Obwohl: Manchmal muss es eben einfach doch eine Tasse Glühwein oder die Bratwurstsemmel sein. „Das gönne ich jedem von Herzen“, sagt Luci. Nur nicht vergessen: „Danach gehen wir zu Fuß nach Hause!“
DORITA PLANGE