GLÜCKSFITNESS – DAS SCHÖNSTE GEFÜHL IM BESTEN ALTER

Fürchtet Euch nicht (zu sehr)!

von Redaktion

„ … und dann gehe ich mit diesen ganzen negativen Gedanken ins Bett und wälze mich stundenlang hin und her. Seit Wochen. Dabei müsste ich dringend mal richtig ausschlafen, ich bin tagsüber natürlich auch die ganze Zeit müde. Ich fürchte mich davor, abends das Licht auszumachen. Ich weiß ja, dass ich bestimmt wieder nicht schlafen kann!“

Ein klassischer Teufelskreis, den meine Klientin da schildert. Schlafmediziner nennen so was „erlernte Insomnie“. Aus einigen schlecht verbrachten Nächten entsteht dabei ein innerer Leistungsdruck („ich muss jetzt schlafen!“), und die damit verbundene Anspannung lässt einen natürlich erst recht wieder hellwach im Bett liegen. Passiert das mehrfach hintereinander, baut sich etwas auf, was unter Psychologen „Erwartungsangst“ heißt – im Bericht meiner Klientin oben sehr schön illustriert.

Diese Erwartungsangst und die durch sie erzeugten Teufelskreise können uns an sehr vielen Stellen das Leben unnötig schwer machen, nicht nur abends beim Ins-Bett-Gehen. Auch beim Thema Sturzprävention kamen sie mir gleich mit in den Sinn. Und selbst bei so was Schönem wie dem Flirten! Bei einem guten Bekannten von mir (der sich nach mehreren Jahren Witwer-Daseins eigentlich gerne neu verlieben würde) feiern sie zum Beispiel gerade fröhlich Urständ.

Was haben diese (und viele weitere) Situationen denn nun gemeinsam? Ein psychologisches Prinzip, das man auch als sich selbst erfüllende Prophezeiung bezeichnen könnte: Die Angst vor einem negativen Ereignis kann nämlich die Wahrscheinlichkeit für dessen tatsächliches Eintreten erhöhen. Am Beispiel meiner Klientin ist Ihnen das bestimmt schon klar geworden.

Auch beim Thema Stürze belegte eine Studie 2010: Diejenigen Senioren, die vorab größere Angst vor dem Hinfallen äußerten, waren erheblich gefährdeter, irgendwann tatsächlich zu stürzen. Und das, obwohl sie aus physiologischer Sicht eigentlich gar kein höheres Risiko dafür hatten als die optimistischeren Studienteilnehmer. Die Angst hatte sie in ihren Bewegungen lediglich unsicherer und fahriger gemacht – und damit zu Fall gebracht. Und was meinen liebeshungrigen Bekannten angeht: Tja, der startet in seine zaghaften Dating-Versuche mit der festen Überzeugung, auf dem Partnermarkt mit Stirnglatze und ohne Waschbrettbauch eigentlich eh keine Chance zu haben. Seine Unsicherheit erhöht seinen „Sex-Appeal“ beim weiblichen Geschlecht natürlich nicht gerade, womit sich seine Befürchtung wiederum bestätigt. Et voilà – da ist er, der Teufelskreis.

Die gute Neuigkeit: Das Prinzip lässt sich genauso in umgekehrter Weise nutzen. Aus meinen früheren Texten zum Thema Optimismus erinnern Sie sich vielleicht noch daran, dass eine hoffnungsvolle Erwartungshaltung auch die Chance auf positive Erlebnisse erhöht. Einfach, weil sie unsere Wahrnehmung anders fokussiert und uns lockerer und mit mehr Selbstvertrauen an die Dinge herangehen lässt.

Damit will ich jetzt nichts gegen Sturzprävention gesagt haben. Ganz genauso wenig wie gegen AHA-Regeln, Privathaftpflichtversicherungen oder andere durchaus sinnvolle Vorsorgemaßnahmen. Aber letzten Endes sollten Sie immer mit allem rechnen, auch mit dem Guten. Achtsamkeit und Umsicht empfehlen sich natürlich in fast jeder Lebenslage eher als Leichtsinn – ängstliches Verkrampfen ist aber kontraproduktiv. Um an dieser Stelle mal ein Sprichwort aus dem islamischen Kulturkreis zu bemühen: „Vertraue auf Gott und binde dein Kamel fest!“ Weder „oder“ noch „aber“, sondern „und“!

VON FELICITAS HEYNE

Die renommierte Diplom-Psychologin und Buchautorin schreibt, warum es so wichtig ist, vorzusorgen – aber eben nicht voller Bedenken in jeden neuen Tag zu starten. Denn das wird zum Bumerang.

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