„Das Haus bebte, die Wände wackelten, der Knall war ohrenbetäubend, als ein Jet die Schallmauer durchbrach. Als Mensch erschrickt man, aber weiß eben auch, dass das ein Flugzeug war. Ein Hund hört nur den gewaltigen Knall und kann ein Trauma davontragen, vor allem wenn Herrchen und/oder Frauchen zu dem Zeitpunkt gar nicht daheim waren.“ Genau so eine Situation erlebte eine Kundin von Sissy Kreid, die eine Hundeschule hat und Hundetrainer in einem Zentrum in Regensburg ausbildet. Diese besagte Kundin besaß nun eine Hundekamera namens Furbo, einer Amazon Alexa nicht unähnlich, mit Linse und integriertem Leckerli-Auswurf. Und weil sie die hatte, konnte sie im Büro sehen, was ihrer Hündin zuhause zugestoßen war. Konnte in der Mittagspause heimfahren, das Tier beruhigen und ihm Sicherheit geben. Ohne den Furbo wäre sie am Abend nach Hause gekommen und hätte gedacht: Warum ist mein Hund bloß so nervös und ängstlich? „Anders gesagt, das Problem ist nachvollziehbar und die Therapie verläuft viel leichter“, sagt Kreid.
Wer jetzt ungläubig den Kopf schüttelt, muss wissen: Mit der „Furbo Dogcamera“ kann man quasi mit dem alleingelassenen Hund daheim „telefonieren“. Die Kamera ist mit einer App verbunden, die einen Bellalarm auslöst und man dann weiß, dass zuhause der Hund im Stress ist.
„Die Kundin war da weiter als ich“, gibt Kreid zu, „Ich hatte mich allerdings auch schon mit der Idee von Überwachungskameras beschäftigt, weil sich bei einem anderen Kunden der Nachbar über das unentwegte Bellen von dessen Hund beschwert hatte, während mein Kunde in der Arbeit war. Wir stellten eine Webcam auf, der Hund bellte übrigens nicht, aber die Idee von außen zu schauen, was sich zuhause tut, hat viel für sich“, lacht die 33-Jährige.
Genau dieses Bedürfnis perfektioniert der Furbo. Weit weg kann man ins eigene Wohnzimmer sehen, den Hund ansprechen und eventuell sogar über den Leckerli- Auswurf aktivieren. Klingt auf den ersten Blick eher exzentrisch, ist aber ein nicht zu verachtendes Hilfsmittel, um Trennungsprobleme zu therapieren. „Es kommt darauf an, Schritt für Schritt vorzugehen“, sagte Kreid. „Ich lasse den Hund an dem Ding schnüffeln, beginne damit, neben der Kamera zu stehen, aus der meine Stimme spricht. Ich bin dabei, wenn ein Leckerli fliegt, der Hund lernt, dass aus dem Ding was Schönes kommt. Er darf natürlich nicht mit Leckerlis quasi beschossen werden.“
Der Furbo kann bei bestimmten Hunden ein Hilfsmittel sein, schneller das Ziel zu erreichen. Ein Furbo allein löst das Trennungsproblem natürlich nicht. „Trennungsangst ist fast immer multifaktoriell und gerade die Geräuschangst ist ein großes Thema“, weiß Kreid.
Ähnlich sieht das Sylvia Neumaier, zertifizierte Hundetrainerin und Verhaltensberaterin aus Farchant (Lk. Garmisch-Partenkirchen): „Es gibt sehr viele Gründe für die Trennungsangst. Grundsätzlich ist der Hund kein Einzelgänger, er lebt normalerweise in einem Rudel und verlässt dieses auch nicht, denn das Rudel bietet Schutz und Sicherheit.“ Deshalb müsse der Hund erst lernen, kurze Zeiten oder auch ein paar Stunden alleine zu bleiben, ohne dass er sich unwohl fühlt, Stress empfindet oder Angst bekommt. Neumaier: „Ein Welpe wird von Mutter und Geschwistern getrennt, zieht in eine neue Familie ein und kennt die Gewohnheiten noch nicht und wurde nicht durch Training auf die Situation vorbereitet. Das kann Angst machen. Oder man denke an den plötzlichen Tod des Besitzers.“ Auch ein Umzug kann für den Hund bedrohlich sein. Der Mensch freut sich auf die neue Wohnung aus ganz unterschiedlichen Gründen, der Hund aber „spürt Unsicherheit in der neuen Umgebung, das sind auch fremde Mitbewohner im Mehrfamilienhaus, deren Geräusche er hört.“
Und nicht selten kann es eben beim letzten Alleinbleiben zu einem Schockerlebnis gekommen sein wie beim Flugzeug, das die Schallmauer durchbricht. Und wo der Furbo helfen kann. „Die App alarmiert mich. Ich kann schneller heimkommen“, sagt Kreid. Ihre beiden Hunde sind gechillt, wenn sie sich einloggt, sieht sie zuhause meist nur ein Standbild. Die Hunde schlafen. „Inzwischen weiß ich die Kamera zu schätzen. Früher ging ich ins Kino und hatte Bedenken, noch auf ein Bier zu gehen. Heute schau ich nach. Schlafen sie, gönne ich mir noch eine weitere Stunde Abwesenheit.“ Und Hand aufs Herz: Fast alle Tierbesitzer leiden unter einem gewissen Kontrollzwang, auch sie haben Trennungsangst. So ging es auch den Gründern in Taiwan. Das Pärchen sorgte sich um seinen Zwergpudel, installierte eine Webcam und stellte fest, dass man so noch lange nicht eingreifen konnte. Die Idee war geboren, sie starteten 2016 eine Crowdfunding-Kampagne. 50 000 US-Dollar waren das Ziel, 500 000 Dollar kamen zusammen – Zeichen, wie groß das Bedürfnis der Hundebesitzer war.
Ohne Zweifel: Der Furbo kann Beruhigung sein. Bei so manchem Hund, der gerade beginnt, zuhause etwas zu zerstören, kann die Stimme des Besitzers den Mechanismus durchbrechen. „Heulen und Bellen daheim dient erst mal dazu, den Kontakt zur Gruppe wiederherzustellen. Es kann Protest sein. „Und beim Zerstören der Einrichtung geschieht das häufig im ersten Schritt durch Ausprobieren, wie man sich die Zeit vertreiben kann – es hat einen selbstbelohnenden Effekt und wird danach häufig wiederholt“, erläutert Neumaier. Frühes Eingreifen kann da nur hilfreich sein!