Zum Jahreswechsel ging eine Meldung aus dem Vatikan um die Welt: Der Papst plagt sich mit einem Ischias-Leiden – und muss deshalb alle Gottesdienste zu Silvester und Neujahr absagen, hieß es. Vor rund zwei Wochen folgte dann die nächste Hiobsbotschaft. Der Ischias-Nerv mache Franziskus so sehr zu schaffen, dass er erneut eine Messe nicht feiern kann und den Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps absagen muss. Viele Bayern können das sicher gut nachvollziehen: Auch sie plagen sich immer wieder mit heftigen Schmerzattacken. Doch was steckt hinter diesen Rückenbeschwerden? Wie findet man ihre Ursache? Und vor allem: Wie wird man die Schmerzen wieder los? Das verrät Ihnen hier der Münchner Wirbelsäulen-Spezialist Dr. Reinhard Schneiderhan.
Was steckt hinter der Erkrankung?
Der Ischias heißt in der Fachsprache „Nervus ischiadicus“. Es ist der größte und dickste Nerv des Menschen. Seine Fasern werden aus mehreren Wurzeln im untersten Bereich der Wirbelsäule gebildet. Sie steuern nicht nur die Muskelbewegungen. Sie sind auch für die Sensibilität vom Rückenmark bis zum Bein verantwortlich. „Kommt es durch Druck zu einer Schädigung von einer dieser Nervenwurzeln, kann das starke Schmerzen verursachen“, erklärt Dr. Reinhard Schneiderhan vom gleichnamigen Medizinischen Versorgungszentrum in Taufkirchen im Landkreis München. „Sie sind nicht nur auf den Lendenwirbelbereich beschränkt, sie können vom Gesäß aus über die Beine bis hin zu den Füßen ausstrahlen. Deshalb ist es wichtig, diesen Druck möglichst schnell vom Nerv zu nehmen, denn sonst drohen Nervenschäden und absterbendes Gewebe.“
Was lindert akute Schmerzen?
Im Akutfall helfen schmerzstillende Medikamente. Sie lindern nicht nur die Pein, sie sorgen auch dafür, dass Betroffene nicht in eine verkrampfe Haltung kommen – und diese so den Druck auf den Nerv noch verstärkt. Ebenfalls ratsam ist eine Stufenlagerung: Dazu einfach die Unterschenkel so auf einen Hocker oder ein Polster legen, dass Knie und Hüftgelenk einen rechten Winkel bilden. „Das führt zu einer deutlichen Entlastung der Wirbelsäule und einer weiteren Schmerzlinderung“, sagt Dr. Schneiderhan. „Auch Wärme ist hilfreich. Wer ein Heizkissen oder Ähnliches zu Hause hat, tut gut daran, es auch zu benutzen. Wer kann, sollte aber nicht allzu lange liegen bleiben und versuchen sich zu bewegen. Den meisten Betroffenen geht es nach ein paar Tagen wieder gut.“
Wann sollte man unbedingt zum Arzt?
Anders sieht es aus, wenn es zu neurologischen Ausfällen kommt, also etwa ein taubes Gefühl oder gar Lähmungserscheinungen auftreten. Dann sollte man unbedingt zum Arzt gehen. „Betroffene müssen genau untersucht werden. Zum einen, um die Ursache der Probleme zu lokalisieren. Zum anderen, um nach gestellter Diagnose die richtigen Behandlungsmaßnahmen einzuleiten“, sagt der Rückenexperte. Manchmal reichten entzündungshemmende und schmerzlindernde medikamentöse Maßnahmen sowie Physiotherapie aus, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Werden die Beschwerden damit nicht besser, empfiehlt Schneiderhan minimal-invasive Eingriffe an der Wirbelsäule.
Was ist der epidurale Wirbelsäulenkatheter?
Zu diesen minimal-invasiven Maßnahmen gehört auch der sogenannte epidurale Wirbelsäulenkatheter – ein Verfahren, mit dem auch Wolfgang Lampka (58) aus Buchloe (Foto oben) behandelt worden ist. Im Interview unten auf dieser Seite berichtet er von seinen Erfahrungen mit schier unerträglichen Ischiasschmerzen und darüber, wie ihm der Eingriff geholfen hat. Dabei schiebt der Arzt einen nur 1,4 mm dünnen und elastischen Hightech-Katheter durch eine dünne Nadel durch die Haut bis zu der Nervenwurzel, die die Schmerzen verursacht. „Dort angekommen kann ich das auf die Nerven drückende Gewebe vorsichtig lösen“, erklärt Dr. Schneiderhan. „Ebenfalls über den Katheter kann ich abschließend noch entzündungshemmende und schrumpfend wirkende Medikamente millimetergenau injizieren, die den Druck auf den Nerv weiter reduzieren und die Nervenwurzel befreien.“
Wie schnell ist man danach wieder fit?
Der Eingriff dauert rund 40 Minuten. Dabei werden „empfindliche Gewebestrukturen maximal geschont“, erklärt der Experte. Anders als bei offenen OPs treten keine Blutungen oder Narbenbildungen auf. Bereits eine Stunde nach der Behandlung können Patienten wieder aufstehen und sich bewegen. Nach wenigen Tagen sind sie wieder belastbar. Nach zwei Wochen könne mit Krankengymnastik begonnen werden. Der Experte sagt: „Die moderne Medizin hat eine große Auswahl an konservativen und minimal-invasiven Behandlungsmöglichkeiten, sodass den meisten Patienten mit großer Wahrscheinlichkeit eine offene Wirbelsäulenoperation erspart werden kann.“
SUSANNE HÖPPNER