Es war ein Albtraum, der zur bitteren Realität wurde: Als Nina an einem kühlen Morgen im Februar nahe Rosenheim mit ihrer Elo-Hündin Lulu spazieren ging, war zunächst alles wunderbar wie immer. Die Hündin schnüffelte und verschwand wie so oft in einem Gebüsch. Deshalb wurde Nina erst nach einigen Minuten unruhig, als Lulu nicht retour kam. Sie rief, pfiff, suchte. Die lustige Hündin war weg. Was Nina noch sah, war ein wegfahrender Sprinter. Sie informierte die Polizei. Die Annahme liegt nahe, dass die Hündin gestohlen wurde. Lulu war nicht kastriert, hat jedoch eine Chipnummer und ist bei der Tierschutzorganisation Tasso registriert. Bis jetzt war jedoch alle Suche vergeblich – die Hündin bleibt verschwunden.
So wie der Familie bei Rosenheim ergeht es immer häufiger Tierbesitzern in Bayern. Tasso und die Kollegen von Vier Pfoten stellen fest, dass immer mehr Hunde gestohlen werden. Corona hat einen Heimtierboom hervorgerufen, seriöse Züchter sind tatsächlich „ausverkauft“. Nicht jeder Tierheimhund passt, auch machen Tierheime seriöse Vorkontrollen, die so mancher umlaufen will. Also eben doch der Hund aus dem Internet, auch der illegale Welpenhandel blüht.
Die Organisation Tasso, die Europas größtes kostenloses Haustierregister betreibt, verzeichnet einen auffälligen Anstieg der Neuregistrierungen von Hunden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Wurden im Juni 2019 etwa 31 400 Hunde neuregistriert, waren es im Juni 2020 bereits mehr als 39 000 Tiere – ein Zuwachs von rund 25 Prozent. Und das sind ja nur die dort registrierten Hunde! Doch all diese Tiere können gar nicht mehr von transparent arbeitenden Züchtern kommen! Und selbst wenn Medien und Tierschutzorganisationen aufklären, die Begehrlichkeiten oder auch das Mitleid überwiegen. Und mehr und mehr werden eben auch gestohlene Hunde anonym auf Online-Plattformen weiterverkauft. Eine Studie aus Großbritannien ist erschreckend: Die Organisation „Doglost“, die eine Datenbank für vermisste Hunde betreibt, verzeichnete im Jahr 2020 465 gestohlene Hunde in Großbritannien und Irland. Im Vergleich zu den Zahlen von 2019 entspricht das einem Anstieg um 250 Prozent. Am begehrtesten waren kleine Rassehunde, besonders Cocker Spaniel, English Springer Spaniels und Jack-Russell-Terrier. Entführt werden nicht nur Welpen, sondern auch erwachsene Hunde, die man dann zur Weiterzucht nutzt, sie verschwinden auf Nimmerwiedersehen irgendwo in einem Verschlag.
Viele Medien europaweit haben sich dem Thema angenommen, auch die BBC, wo ein verdeckter Ermittler solchen Fällen nachging. Entführt werden nicht mehr nur Welpen, sondern auch ausgewachsene Tiere gezielt für die Zucht. Mit Hormonbehandlung werden die Hündinnen zu drei bis vier Würfen pro Jahr gebracht, als Gebärmaschinen missbraucht. Es gibt bereits den Begriff „Dognapper“. Die Rechnung ist erschreckend einfach. Züchtet man mit einem gestohlenen Tier, kann man die Welpen teuer weiterverkaufen und das mehrmals im Jahr!
Fragt man aktuelle Zahlen bei der Bayerischen Polizei an, kann die einem nicht helfen. Hunde oder auch Katzen werden in der Diebstahlstatistik nicht extra aufgeführt. Ein Tier ist rechtlich eine Sache und verschwindet irgendwo unter all den anderen Diebstählen. Hinzu kommt, dass die Aufklärungsquote minimal ist. Die Strafen für Hunde-Diebstähle sind milde. Wenn es überhaupt zu einer Verurteilung kommt, bleibt es bei einer Geldstrafe. „Wir brauchen endlich eine gesetzliche Verifizierungspflicht für alle TierverkäuferInnen sowie eine Rückverfolgbarkeit der Tiere“, sagt Birgitt Thiesmann, die seit Jahren gegen den Welpenhandel kämpft. Einen gestohlenen Hund – und noch schwerer eine Katze – wiederzufinden, ist extrem schwer. Man sucht Hehlerware, dessen sollte man sich bewusst sein! Und jeder Hundehalter sollte zudem wissen, dass es nur eine kurze Unaufmerksamkeit braucht, um einen Hund zu stehlen. Vor einem Geschäft sitzend, aber auch ganz leicht im eigenen Garten. Der Hund wird an den Zaun gelockt – schwups ist er auch schon weg. Hunde verschwinden auch aus Autos, in denen sie auf Herrchen und Frauchen warten. Im Fall des US-Popstars Lady Gaga wurde der Hundesitter sogar mit Waffengewalt gezwungen, die Hunde herauszugeben, und dabei angeschossen. Bisher ist der Rest Spekulation: Eine Frau brachte die beiden Französischen Bulldoggen zwei Tage später zur Polizeistation. Sie wäre nicht die Diebin gewesen. Womöglich war den Tätern gar nicht klar, dass das die Hunde einem Weltstar gehörten – und ihnen wurde die Ware zu heiß.
Aber egal ob Promi oder eine ganz normale Familie wie die von Nina: Das Leid ist groß. Darum hilft es nur, alle Vorsichtsmaßnahmen zu treffen und keine Tiere im Internet zu kaufen!
Interessante Links
www.tasso.net
www.vier-pfoten.de