Spitzensportler in der Brust

von Redaktion

HERZSERIE (1): Ein Experte verrät die Geheimnisse des Wunderorgans

Wussten Sie, dass ein echter Champion in Ihrer Brust steckt? Einer, der Tag und Nacht aktiv ist und sich niemals eine Pause gönnt? Einer, der in 24 Stunden mehr als 100 000 Mal schlägt? Die Rede ist natürlich vom Herzen, einem Organ der Superlative. Es muss so viel leisten, dass man auch ganz besonders gut darauf aufpassen sollte.

Wir widmen ihm daher eine ganze Serie, und zwar in lockerer Folge mittwochs hier auf der Leben-Seite. Zum Start verrät Prof. Markus Sperandio, kommissarischer Leiter des Instituts für kardiovaskuläre Physiologie am Biomedizinischen Zentrum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, wie Herz und Kreislauf funktionieren – und warum sich Ihr innerer Sportler freut, wenn Sie selbst in die Gänge kommen.

Prinzip Spülschwamm: Wie das Herz pumpt

Was passiert, wenn Sie die Faust um einen triefnassen Spülschwamm schließen und drücken? Richtig! Sie quetschen das Wasser heraus, es gerät in Bewegung. Das Herz funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Der faustgroße Herzmuskel ist innen hohl und kann sich so mit Blut füllen. Zieht er sich zusammen, wird das Blut darin in den Kreislauf gepumpt. Genau genommen treibt das Herz dabei nicht nur einen, sondern zwei Kreisläufe an. Denn: „Das Herz-Kreislauf-System ist aus zwei Komponenten aufgebaut“, erklärt Sperandio. Darum hat es zwei Hälften, die jeweils aus Vorhof und Kammer bestehen. Den Zutritt regeln Herzklappen, vier an der Zahl, die wie Türen funktionieren. Hier rein und nur dort wieder raus – ein gesundes Herz macht da keine Kompromisse.

Wie kommt das Blut bis in den kleinen Zeh?

Los geht’s im linken Vorhof: Der ist quasi die Wartehalle für das sauerstoffreiche Blut, das von der Lunge kommt. Ist der Vorhof voll, wird er zusammengedrückt. Das Blut drängt sich dann durch die Mitralklappe und fließt in die linke Kammer. Ist auch die voll, zieht sie sich zusammen – und „wirft das Blut in den großen Kreislauf aus“, erklärt Sperandio. Es ergießt sich zuerst in die Aorta, die Hauptschlagader. Diese hat einen Durchmesser von zwei bis drei Zentimetern. Von dort fließt es weiter in große und kleine Arterien, in noch kleinere Arteriolen und schließlich in Kapillaren. „Das sind die kleinsten Gefäße“, sagt der Experte. „Sie haben einen Durchmesser von circa acht Mikrometern.“ Haarfein also. So kommt das Blut in jeden Winkel des Körpers – vom Herzen hinauf bis ins Hirn und hinab bis in den kleinen Zeh. Das ist wichtig, damit alle Zellen mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden.

Wozu braucht es einen zweiten Kreislauf?

Vor Ort holen sich die Zellen aus dem Blut, was sie brauchen, und beladen es mit dem, was sie loswerden wollen: zum Beispiel das Gas Kohlendioxid. Dieses „verbrauchte Blut“ muss zurück ins Herz. Auf dem Rückweg fließt das Blut dann von den Kapillaren in immer breitere Venen und mündet schließlich in die rechte Herzhälfte: Im rechten Vorhof und der rechten Kammer bekommt das Blut dann noch mal neuen Schwung – um über eine große Arterie in den „kleinen Kreislauf“ zu fließen. Der führt zur Lunge, wo das Blut das Kohlendioxid in die feinen Lungenbläschen abgibt und mit Sauerstoff neu betankt wird. Frisch beladen fließt es zurück in den linken Vorhof – und ist nun bereit für eine neue Runde.

Wie schafft es das Blut von unten nach oben?

Vom Herzen in den Zeh – das ist einfach. Schließlich fließt das Blut nach unten, angetrieben vom Herzen. Auf dem Rückweg braucht es die Pumpfunktion der Muskeln in den Beinen: Kontrahieren sich diese, pressen sie dabei die Venen in den Beinen zusammen – und befördern das Blut so Stück für Stück nach oben. Damit das Blut nicht gleich wieder nach unten zurückfließt, sitzen in den Venen Klappen, die wie Ventile wirken und genau das verhindern. Trotzdem ist das Blut in den Venen, anders als in den Arterien, „sehr gemütlich“ unterwegs. Damit es nicht zu bequem wird, sollte man sich viel bewegen – das bringt die „Muskelpumpe“ in Schwung und hält die Venen gesund.

Blutdruck: Was misst man da eigentlich?

„120 zu 80 mmHg“ – solche Blutdruckwerte gelten bei Erwachsenen als optimal. Die Einheit bedeutet „Millimeter Quecksilbersäule“. Das hat „historische Gründe“: Früher habe man den Blutdruck mit einer Quecksilbersäule gemessen. Der ist nicht in allen Gefäßen gleich. Was man mit der Manschette um Arm oder am Handgelenk misst, ist der Druck „in den großen Arterien“, erklärt der Experte. Der untere, der „diastolische“ Wert ist der Druck, der herrscht, wenn die Herzklappe zwischen linker Kammer und Aorta geschlossen ist. Zieht sich der Herzmuskel zusammen, steigt der Druck in der Kammer – bis sich die Klappe öffnet und sich rund 70 Milliliter Blut in den Körperkreislauf ergießen: der Moment, in dem der obere, der „systolische“ Wert gemessen wird.

Warum steigt der Blutdruck im Alter?

Die Gefäßwände federn den Druck des Blutes ein wenig ab. Das können sie, weil sie elastisch sind und sich dehnen können, wenn das Blut hineingepresst wird – „ähnlich wie Luft in einen Luftballon“, sagt Sperandio. Entspannt sich das Herz, sinkt der Druck auf die Gefäßwände wieder: Sie entspannen sich und schieben dabei das Blut weiter. Im Alter funktioniert das immer schlechter, denn die Gefäße werden steifer. „Allein dadurch kommt es bei einem über 80-Jährigen zu einer deutlichen Steigerung des Blutdrucks.“ Verhindern lässt sich das nicht. Sport hilft aber, die Gefäße länger elastisch zu halten.

Woher weiß das Herz, wann es schlagen soll?

Damit das Herz kraftvoll pumpen kann, muss sich jede Zelle des Herzmuskels im richtigen Moment zusammenziehen und wieder entspannen. Das klappt nur, wenn jemand den Takt vorgibt wie der Schlagmann im Ruderboot: „Haut er auf die Trommel, wird gerudert“, sagt Sperandio. „So ist das auch im Herzen.“ Dort ist der Sinusknoten der Taktgeber, spezialisierte Muskelzellen im rechten Vorhof. Sie erzeugen ein elektrisches Signal, das sich über das Erregungsleitungssystem ausbreitet. „Das kann man sich ein bisschen wie ein Stromkabelnetz vorstellen, das im Herzen verlegt ist“, sagt Sperandio. „Und wenn dann eine Herzmuskelzelle das Signal empfängt, dann gibt sie es an die nächste Herzmuskelzelle weiter – und alle machen mit.“ Wie eine La-Ola-Welle breite sich das Signal im Herzen aus. Läuft alles richtig, ziehen sich erst die Vorhöfe zusammen, dann die Herzkammern. Fehler in diesem System führen zu Herzrhythmusstörungen: Die Herzpumpe gerät aus dem Takt – wie bei einem Boot, das nicht mehr vorankommt, weil die Ruderer nicht im gleichen Takt rudern.

Wie werden Puls und Blutdruck gesteuert?

Ob im Schlaf oder nach dem Essen, beim Sport oder bei einem Angriff – damit immer genug Blut genau da ankommt, wo es am meisten gebraucht wird, verändern sich Blutdruck und Puls ständig. Hormone wie Adrenalin wirken direkt auf den Taktgeber des Herzens und lassen es schneller schlagen. So rauscht mehr Blut durch die Adern. Die Fasern des vegetativen Nervensystems wirken vor Ort auf die Gefäße: Sie stellen sie in den meisten Organen dort weit, wo viel Blut hinfließen soll – etwa in den Darm nach dem Essen oder zu den Muskeln beim Joggen. Stellen sie die Gefäße enger, steigt der Blutdruck. „Ein cooles System“, findet Sperandio.

ANDREA EPPNER

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