CORONA UND DER TREND ZUM HAUSTIER
Es ist eine Geschichte, die verblüfft: Ein Ehepaar aus England wollte unbedingt einen Hund der Rasse Bolonka Zwetna von Anne Kollmann, die aber lange Wartelisten hatte und hat. Und weil die beiden sowieso mal ein Jahr ins Ausland wollten, bewarb sie sich als Englischlehrerin in Deutschland, er als Freiberufler konnte überall arbeiten. Die Briten wollten sofort vor Ort sein, wenn ein Wurf fällt. Und sie wollten in der erste Phase mit dem Welpen mit Kollmann in Kontakt bleiben. Als der Hund rund neun Monate alt war, flogen sie zurück nach England. Heute mutet diese (wahre!) Geschichte exotisch an. Sie erzählt von langer Planung und davon, etwas wirklich zu wollen. Vom Warten können.
Doch heute? „Die Menschen haben keine Geduld mehr. Sie wollen eben nicht auf einen Hund warten, der womöglich erst in ein oder zwei Jahren geboren wird. Aber ein Züchter produziert doch nicht!“, erklärt Anne Kollmann. Seit Corona ist die Nachfrage nach Hunden explodiert. Kollmann hat schon immer eine Warteliste gehabt, auf der auch nur Leute stehen, die live vor Ort waren. Die sie ausfragt und abcheckt. Sie macht dann einen Vorvertrag mit Anzahlung, sie will, dass es den Menschen ernst ist. „Aber ein Hund ist keine Maschine. Er kann leer bleiben, es kann eine Totgeburt geben. Welpen sind keine Ware, die man fristgerecht ausliefert.“
Sylke Rodmann, 2. Vorsitzende des Verbands Deutscher Kleinhundezüchter (VK), züchtet Bichon Frisé und hat auf den Corona-Boom drastisch reagiert: „Ich hätte 1000 Hunde verkaufen können. Es ist völliger Irrsinn, was momentan passiert. Ich habe meine Hündin jetzt bewusst nicht belegt! Die Leute erzählen einem das Blaue vom Himmel. Die Menschen wollen in Corona-Zeiten raus und das ist mit Hund leichter, ergo will man einen kaufen. Am liebsten einen kleinen, den man in der Etagenwohnung halten kann.“
Beide Züchterinnen sehen mit Grauen in die Zukunft. „Was passiert mit all den Hunden, wenn diese Zeiten vorbei sind? Wenn kein Homeoffice mehr gewünscht wird? Die Hunde landen in Tierheimen oder müssen dann acht Stunden allein bleiben.“ Und genau das ist die Hölle für kleine Gesellschaftshunde. Sie wurden nicht zum Arbeiten gezüchtet, sondern allein, um Menschen zu erfreuen.
Wo seriöse Züchter quasi ausverkauft sind, geht der Handel im Internet weiter. Tierschutzorganisationen und -verbände warnen – und doch ändert sich nichts. Man will den Hund, jetzt, hier und heute…. „Corona fördert den illegalen Handel und es müsste vom Gesetzgeber viel mehr getan werden. Letztlich fördert das Wegsehen die illegale Szene. Wir brauchen stärkere Kontrollen, mehr Personal in der Exekutive, das sich um Tierschutzverstöße kümmert, wir brauchen handlungsfähigere Veterinärämter. Wir brauchen eine Kennzeichnungspflicht, der EU-Heimtierausweis ist ja nicht fälschungssicher. Wir brauchen eine Verifizierungspflicht für die Tierkategorie auf Online-Plattformen. Man muss Nutzerinnen und Nutzer als auch die Herkunft der Tiere rückverfolgen können. Und die Tiere sind am besten per Tätowierung und plus Chip zu kennzeichnen“, sagt Sylke Rodmann.
Kollmann erlebt es in ihrer Hundeschule immer noch – trotz aller Aufklärung –, dass Leute mit armen, kranken Vermehrerhunden auftauchen. „Die Menschen wollten das einfach nicht sehen. Sie waren blauäugig und geben dann zu, dass der Kauf doch komisch gelaufen ist. Aber da hat man den Hund schon lieb gewonnen.“ Eine Pflichtlektüre für alle Hundekäufer sollte auf der Homepage von Kollmann die Geschichte von Lea sein. Wem dabei die Tränen über die Wangen laufen, ist auf dem richtigen Weg!
. www.von-der-hersbrucker-alb. de/hunderassen/Die traurige Geschichte von Lea