Die ersten Blumen sprießen, Bäume und Sträucher fangen an zu blühen. Endlich ist der Frühling da. Doch für Pollen-Allergiker bedeutet das in der Regel den Beginn einer wochenlangen Leidenszeit. Heuschnupfen ist die mit Abstand häufigste allergische Erkrankung.
Um die Allergie auszulösen, braucht es nicht viel: Schon 20 Pollen pro Kubikmeter Luft reichen dem Körper als Alarmsignal. Um den „Feind“ abzuwehren, schüttet er verstärkt Histamin aus. Dann läuft die Nase, der Gaumen kratzt und die Augen tränen. Zum Glück gibt es inzwischen einige neue Behandlungsmethoden und Therapieansätze. So sind Immunmarker in der Lage, die Schwere einer Allergie vorherzusagen. Professor Dr. Stefan Holtmann, HNO-Arzt und Allergologe aus München, erklärt, wie man die Allergie in den Griff bekommt und die Frühlingstage trotzdem unbeschwert genießen kann.
Welches sind die häufigsten Allergie-Auslöser?
Die häufigsten Pollenallergie auslösenden Pflanzen sind bestimmte Bäume, Gräser und Unkräuter. Unter den früh blühenden Bäumen stehen neben Hasel und Erle die etwas später blühende Birke an erster Stelle. Im Sommer blühen dann die Gräser und das Edelgras Roggen sowie verschiedene Unkräuter wie Spitzwegerich, Beifuß oder die sich immer mehr ausbreitende Ambrosia.
Schnupfen oder Heuschnupfen – wie kann ich das unterscheiden?
Die Symptome beim Heuschnupfen sind so typisch, dass es kaum eine Verwechslungsgefahr gibt. Durch die Histaminausschüttung läuft und juckt die Nase, die Augen tränen, sind rot und jucken ebenfalls. Meist kommt es zu regelrechten Niesattacken und zu einem unangenehmen Juckreiz am Gaumen. Bei starkem Heuschnupfen fühlt man sich auch oft abgeschlagen oder hat sogar leichtes Fieber.
Wie findet der Arzt heraus, auf welche Gräser oder Pollen man reagiert?
Am Anfang stehen, wie immer, das ausführliche Gespräch und die Untersuchung der inneren Nase mit dem Endoskop. So kann der HNO-Arzt relativ einfach feststellen, ob die Nasenschleimhaut entzündlich verdickt ist. Der Allergie-nachweis wird dann mithilfe eines Hauttestes, dem sogenannten Pricktest, durchgeführt.
Dabei werden die unterschiedlichen Allergene in die oberflächliche Haut am Unterarm eingeritzt und nach 20 Minuten Rötung und Schwellung beurteilt.
Wenn der Hauttest positiv ausfällt, habe ich dann immer Allergieanzeichen?
Nein! Auch bei Nichterkrankten kann ein Hauttest positiv ausfallen. Hier besteht dann lediglich eine Sensibilisierung gegen das Allergen, aber (noch) keine manifeste Erkrankung. Andererseits bedeutet ein negativer Hauttest nicht unbedingt, dass keine Allergie vorliegt. So kann auch einmal ein selteneres Allergen, das routinemäßig nicht getestet wird, einen Heuschnupfen auslösen. In Zweifelsfällen besteht auch immer noch die Möglichkeit, im Blut spezifische IgE-Antikörper nachzuweisen (RAST-Test).
Weshalb reagiert der eine allergisch, andere entwickeln in ihrem ganzen Leben nie eine Form einer Allergie?
Es gibt viele Faktoren, aber die wichtigste Ursache ist die sogenannte Atopie. Darunter versteht man eine angeborene, oft erblich begründete Neigung, eine Überempfindlichkeit gegenüber alltäglichen Substanzen, den Allergenen, auszubilden. Das überempfindliche Immunsystem erkennt sie dann quasi als „Feinde“ und bildet folglich unsinnig viele IgE-Antikörper, die bestimmte Entzündungsstoffe, vor allem Histamin, ausschütten. Dieses löst dann die jeweiligen allergischen Symptome aus. In der Regel entwickelt sich eine Allergie zwischen dem 10. und 50. Lebensjahr, mit einem Altersgipfel bei 35 Jahren.
Weshalb schlägt eine Allergie oft auf die Bronchien?
Die Atemwegsschleimhaut ist in der Nase und im Bronchialsystem identisch. Durch die Allergie schwillt sie an und kann sich entzünden. Das kann sich so massiv äußern, dass Geruchsverlust auftreten kann und die Na-senatmung nicht nur behindert, sondern komplett blockiert ist. Das kann Mittelohr- und Nasennebenhöhlenentzündungen auslösen. Und die begünstigen wiederum die Ausbildung des gefürchteten Etagenwechsels. Dann greift der Heuschnupfen auf die tieferen Atemwege über und kann ein allergisches Asthma bronchiale zur Folge haben.
Was hat es mit den sogenannten Kreuzallergien auf sich?
Bestimmte Lebensmittel enthalten Substanzen, die eine Verwandtschaft mit den Allergieauslösern von Pollen aufweisen. Dann können sogenannte Kreuzallergien auftreten, die bei Pollenallergikern Nahrungsmittelallergien auslösen. Häufig weisen Menschen, die auf die Pollen des Haselnussstrauches allergisch sind, auch bei der Nahrungsaufnahme von Haselnüssen eine Unverträglichkeit auf. Bei Frühblüherallergikern sind es eher Kernobst, Nüsse und Gewürze. Gräserallergiker reagieren häufig auf Mehl und Kartoffeln, Unkrautallergiker gegen verschiedene Gemüse und Pfefferallergiker gelegentlich gegen Muscheln und Krustentiere.
Was kann man gegen die Allergie tun?
Ganz im Vordergrund steht zunächst immer die Allergievermeidung, die sogenannte Karenz. Jeder Heuschnupfenpatient kennt normalerweise „seine“ allergieauslösenden Pflanzen und ihre typischen Pollenflugzeiten. Je nach Aufenthaltsort und Wetterbedingungen ändern sich diese aber täglich. Am besten man informiert sich hier mithilfe einer App auf dem Smart-phone tagesaktuell. Grundsätzlich sollte man bei akuter Pollenlage den Aufenthalt und sportliche Betätigung im Freien meiden, getragene Straßenkleidung nicht im Schlafzimmer liegen lassen und abends duschen und Haare waschen.
Welche langfristigen Verhaltensregeln und Vermeidungsstrategien sollte man kennen?
Als Gartenbesitzer heuschnupfenauslösende Pflanzen ersetzen und den Rasen kurz halten, den Urlaub in pollenarmen Regionen planen (Küsten, Höhenlagen, andere Vegetation suchen) und einen Pollenfilter im Auto und zuhause an den Fenstern erwägen.
Und was gilt kurzfristig?
Auch gegebenenfalls im Außenbereich FFP2-Masken tragen. Die sind in der Lage, zumindest einen Teil der Pollen zu filtern. Die meisten Pollen haben eine Größe von 10 bis 100 Mikrometern, sind also größer als die Aerosole, die man bei richtiger Anwendung dieser Masken schon zu über 90 Prozent herausfiltern kann. In der Stadt sollte man morgens lüften, auf dem Land eher abends lüften.
Wird es in Zukunft neue Therapien geben?
Hoffnung macht eine ganz neue Therapie mit monoklonalen Antikörpern, die sogenannten Biologika beziehungsweise Biopharmazeutika. Das sind Arzneistoffe, welche mittels biotechnologischer Verfahren hergestellt werden. Ziel der Biologika-Therapie ist, körpereigene Botenstoffe und Eiweiße zu ersetzen, zu ergänzen oder zu blockieren und so das überdrehte Immunsystem wieder zu regulieren. Biologika werden schon seit einiger Zeit in der Tumortherapie und der Asthmatherapie angewandt und sind deutlich besser verträglich als Chemotherapeutika. Seit Kurzem ist ein spezifischer IgE-Antikörper auch für die chronische Nasennebenhöhlenentzündung mit Nasenpolypen zugelassen, wenn sich die Erkrankung mit Kortison und/oder Operationen nicht beherrschen lässt. Ob in Zukunft diese Substanzgruppe auch beim Heuschnupfen Anwendung finden wird, ist denkbar. Ihr Nachteil sind allerdings nicht nur die enormen Kosten – die liegen pro Jahr im fünfstelligen Bereich –, sondern auch, dass diese Medikamente das Immunsystem schwächen.