Zufällig hatte Hans-H. Huss Kontakt mit einem Waldbauern. Der hatte von den Schweinen in den Save-Auen in Kroatien gehört und dort auch Fleisch verkostet. „Du musst doch wissen, wie das geht“, fragte der Mann den studierten Agrarwissenschaftler. Wusste Huss zwar nicht, aber er durchforstete die Agrarhistorie und war fasziniert. „Schweine im Wald waren einst eine der wichtigsten Tierhaltungsformen. Die Menschen benötigten Fett, damals gab es aber noch keine pflanzlichen Öle, Fett musste von Schweinen stammen. Das Schwein ist aber ein Nahrungskonkurrent des Menschen, das rare Getreide benötigte der Mensch selber, ergo wurde es in den Wald getrieben.“ In waldreichen Regionen spielten Schweine die wichtigste Rolle in der Versorgung der Bevölkerung – in Gegenden ohne Wälder dominierten Rinder und Schafe. Daraus entstand eine Diplomarbeit und eine Idee. Eine theoretische Arbeit war eine Grundlage, sie wurde auch mit dem Förderpreis Wissenschaft der Gregor-Louisoder-Umweltstiftung ausgezeichnet. Aber Agrarexperte Huss wollte mehr. Er wollte in die Praxis.
In Iphofen wurde er fündig, ein Stadtförster war von der Idee angetan „und mit starker Unterstützung der Stadt, des Bayerischen Naturschutzfonds und des Landschaftspflegeverbandes Kitzingen konnten wir den Versuch starten. Auf einer knapp drei Hektar großen Fläche rüsselten nun 20 Schweine herum. Das war 2003, erstes Fleisch wurde Spitzengastronomen – z. B. auch Hans Haas vom Tantris in München – vorgestellt, die sich von der Qualität begeistert zeigten. Bis 2005 blieb man quasi im Versuchsstadium, 2006 wurden es 21 Hek-tar für bis zu 200 Schweine. Heute genießen die Tiere ihr Waldleben auf 50 Hektar, die Eichelschwein GmbH wurde gegründet mit Huss als Vorsitzendem.
Im Fall der Eichelschweine spricht man von einer „Veredelungsmast“. Die Ferkel stammen aus einem großzügigen Strohoffenstall mit Auslauf, werden sojafrei gefüttert und gehen dann von August bis Dezember auf die Waldweide. Diese Vorgehensweise praktizieren auch die Spanier. Wegen des anderen Klimas sind da die Schweine meist von November bis Februar im Wald. Geschlachtet wird regional, weiterverarbeitet in Hof. Die Tiere sind mit zehn bis elf Monaten schlachtreif, nach einem schweinisch guten Leben – eine arme Hybridsau im Mastbetrieb wird nach 140 Tagen geschlachtet.
„Wenn die Tiere zum ersten Mal in den Wald kommen, ist es wirklich faszinierend, dass sie binnen einer Stunde die Wasserstelle gefunden haben und sich auch sofort an das Nahrungsangebot gewöhnen. Sie wissen, was zu tun ist. Sie ziehen in Kleingruppen über die Fläche, sind extrem schlau und extrem neugierig“, erläutert Huss. Genau das ist auch das Problem an der Stallhaltung, selbst dort, wo es die Schweine mit Strohbett schon netter haben, ist ihre Neugier immer noch nicht voll befriedigt.
Schweine waren jahrhundertelang Weidetiere, nur die heutigen Hybridsauen eignen sich nicht mehr für eine Waldweide. „Sie haben einen zu langen Rücken, zu kurze Beine, haben zu schwache Gelenke, um weit zu laufen“, sagt Huss. Anders gesagt: Im Prinzip eine Qualzucht, geboren um zu vegetieren und früh zu sterben. Die alten Rassen bilden auch ein richtiges Winterfell aus, sie sind borstig und robust und wenn sie dunkler gefärbt sind, auch nicht so sonnenbrandgefährdet. Aber die alten Rassen, die wunderbar mit der Waldbeweidung zurechtkommen, sind rar geworden. Anfangs setzte Huss auf Schwäbisch-Hällische Landschweine, aber in der Menge und gleichzeitig, waren sie kaum zu bekommen. Auch das Schwäbisch-Hällische Schwein gibt es als Reinzucht fast nicht mehr, weil sie bei Stallhaltung sehr fett werden. Sie brauchen Bewegung, wie sie es beispielsweise in Glonn in den Herrmannsdorfer Landwerkstätten auf den großzügigen Schweine-Weiden haben.
In Iphofen rüsseln nun Kreuzungen von Duroc und Deutscher Landrasse durch die Wälder. Und ihr Fleisch ist eine Offenbarung. „Wir müssen bewusster essen, den tatsächlichen Preis sehen, auch Leute wieder ans Kochen bringen“, findet Huss. „Nur ein ganzheitlicher Blick hilft uns, die Zukunft zu bewältigen, denn wir brauchen in jedem Fall Tierhaltung und Beweidung zum Erhalt unserer Kulturlandschaft und der Artenvielfalt.“
Interessante Links
www.eichelschwein.de
(mit Onlineshop) www.metzgerei-probst.de
(Produkte auch erhältl. bei Metzgerei Probst, Waldfriedhofstr. 68, 81377 M.)