Der Kampf gegen die lästigen Corona-Kilos

von Redaktion

Einfache Regeln gegen Gewichtszunahme in der Pandemie von Ernährungsexpertin Dr. Anja Luci

VON NICOLE HUSS

München – Die Corona-Pandemie hat die Ernährungsgewohnheiten vieler Menschen auf den Kopf gestellt: Studien zufolge kochen die Deutschen in Zeiten von Home- office, Homeschooling, geschlossenen Restaurants und abendlichen Ausgangssperren zwar öfter zuhause und geben für frische Lebensmittel so viel Geld aus wie selten zuvor. Angesichts der ständigen Nähe zum Kühlschrank, Corona-Frust und Zwangs-Sportpause bringt aber auch ein erschreckend großer Teil der Bevölkerung seit Beginn der Krise mehr Gewicht auf die Waage. Ärzte und Ernährungsexperten schlagen Alarm: Sie raten dringend dazu, einige Tipps und Tricks zu beherzigen, mit denen man die Corona-Kilos vermeiden und wieder loswerden kann.

Morgens mit ein paar Schritten direkt an den heimischen Computer; zwischendrin immer wieder kleine Snacks aus dem Kühlschrank oder dem Süßigkeitenfach, faule Abende auf der Couch anstatt beim Vereinssport oder im Fitnessstudio – und das schon seit mehr als einem Jahr: Die veränderten Lebensgewohnheiten seit Ausbruch der Corona-Pandemie haben bei vielen Menschen deutliche Spuren in Form von Speckröllchen auf den Hüften und mehr Gewicht auf der Waage hinterlassen.

Laut einer Ernährungsstudie des Robert-Koch-Instituts ist das mittlere Körpergewicht der Deutschen im vergangenen Jahr um rund ein Kilo gestiegen. Eine Online-Umfrage im Auftrag des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) ergab, dass in dieser Region jeder Zweite zugenommen hat – fast die Hälfte von ihnen mehr als fünf Kilo. Jeder Siebte bringt dort seit Pandemie-Beginn sogar bis zu zehn Kilo mehr auf die Waage. Und das gilt sicher nicht nur im Nordosten der Republik.

Im Rahmen einer Studie des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin unter Eltern gaben zwar 14 Prozent der Befragten an, seit dem Ausbruch der Corona-Krise öfter zuhause zu kochen und sich gesünder zu ernähren – immerhin eine positive Überraschung. Trotzdem haben ganze 27 Prozent der Eltern und fast zehn Prozent der Kinder in diesem Zeitraum deutlich zugenommen. Vor allem das dauernde Snacken von Schokolade, Kuchen sowie süßem und salzigem Knabberzeug hat offenbar dafür gesorgt, dass sich viele Menschen einen gewissen Pandemie-Speck angefuttert haben. Davon zeugen auch die oftmals spärlich gefüllten Supermarkt-Regale bei Produkten wie Weißmehl oder Chips.

Ärzte und Ernährungsexperten schlagen Alarm: „Durch den veränderten Tagesablauf, die viele Zeit zuhause, Corona-Frust und fehlende Freizeitaktivitäten essen wir mehr und auch undisziplinierter als sonst“, stellt Dr. Anja Luci, Ernährungsexpertin der KKH Kaufmännischen Krankenkasse, fest. Sie erhält zurzeit täglich Anrufe von Versicherten, die sich zur richtigen Ernährung in der Corona-Krise beraten lassen wollen.

Dabei gibt es ein paar ganz einfache Grundregeln, um Fehlernährung und Gewichtszunahme in Pandemie-Zeiten zu vermeiden. „Erwachsene und Kinder brauchen angesichts des neuen, ungewohnten Tagesablaufs eine klare Struktur und einen Rhythmus sowie eine gewisse Konsequenz“, sagt Dr. Luci. Dazu gehöre, morgens gemeinsam etwas Gesundes zu frühstücken, beispielsweise selbst gemachtes Müsli oder Naturjoghurt mit Früchten. „Das gibt einen ordentlichen Push an Energie“, weiß die Expertin. Frühstücksfavoriten von Kindern wie Kakao, zuckerhaltige Cornflakes oder Nutella-Toast sollten dagegen tabu sein – außer als Ausnahme am Wochenende.

Ebenso wichtig sind Dr. Luci zufolge feste gemeinsame Essenszeiten am Mittag und am Abend. Heißhungerattacken zwischendurch bekämpft man am besten mit gesunden Snacks wie Obst und Gemüse. Eine gute Alternative sind auch Nüsse wie Walnuss- oder Cashewkerne. Die sind nicht nur gesund, sondern sättigen auch gut und steigern die Leistungsfähigkeit. Ein kleiner Trick, der kurzfristig helfen kann, den Hunger zwischendurch zu zügeln: Zähneputzen. Denn der Minzgeschmack wirkt wie eine Appetitbremse, die mindestens eine halbe Stunde lang anhält.

Zudem rät Dr. Luci: „Viel trinken – am besten Wasser, ungesüßten Tee oder hochverdünnte Apfelschorle.“ Auch das helfe gegen Hunger. „Der Grund dafür ist, dass die Rezeptoren im Magen auf Druck reagieren, so dass ein Sättigungsgefühl entsteht, unabhängig davon, ob man gerade etwas getrunken oder gegessen hat“, weiß Dr. Luci. Andere Ernährungsexperten raten auch, zum Essen einen kleineren Teller als üblich zu nehmen. Denn, so die These, wer sich nicht so viel auflädt, isst auch weniger. Beim Kochen und Backen kommt es nach Angaben von Dr. Luci vor allem darauf an, Fertiggerichte, Weißmehlprodukte und Lebensmittel mit zu viel Zucker zu vermeiden. „Sonst steigt der Blutzuckerspiegel zu schnell an und man wird träge. Der Sättigungseffekt hält außerdem nicht lange vor“, weiß die Ernährungsexpertin.

Beim Kochen sollte man stattdessen vor allem frische und gesunde Zutaten verwenden. „Wer keine Zeit hat, frisches Gemüse zu kaufen und zu verarbeiten, kann auch Tiefkühlgemüse verwenden – vorausgesetzt, es ist keine Sahne, wie beim Rahmspinat, zugesetzt“, sagt Dr. Luci. Wenn es schnell gehen soll, kann man Gemüse auch in speziellen Dampfgarbeuteln in der Mikrowelle zubereiten; dabei bleiben alle Vitamine und Mineralstoffe erhalten.

Familien, die den Spagat zwischen Homeschooling und Homeworking bewältigen müssen und daher oft besonders gestresst sind, rät Dr. Luci, einen Wochenplan für die Mahlzeiten zu erstellen und die Kinder dabei auch nach ihren Wunschgerichten zu fragen. „Wer strategisch plant und die Kinder mit einbezieht, hat es leichter“, ist sie überzeugt. Dann muss man nicht auf Verlegenheitslösungen wie Fertigpizza oder Standard-Nudelgerichte zurückgreifen. Auch das Vorkochen größerer Mengen spart nach Angaben von Dr. Luci viel Zeit und Nerven.

Für ältere Menschen hat die Ernährungsexpertin ebenfalls einen guten Tipp: „Senioren kochen oft nicht gerne für sich allein, sondern kaufen häufig Fertiglebensmittel oder lassen sich fertig abgepackte Gerichte nach Hause liefern.“ Ihnen rät Dr. Luci, öfter einmal nur die halbe Portion zu verwenden und diese dafür mit frischen Kräutern und etwas Gemüse aufzupeppen.

Wer momentan mit Vitaminen unterversorgt sei, könne dem Körper vorübergehend auch Nahrungsergänzungsmittel zuführen, jedoch nicht ohne Rücksprache mit einem Arzt. Und wer in der Corona-Zeit oft einsam sei und keine Lust habe, für sich alleine zu kochen, könne auch einmal per Videoschaltung am Computer parallel mit anderen kochen – für viele ist das eine ganz neue, spannende Erfahrung. Dass dieses Modell in der Krise auf Zustimmung stößt, beweisen zahlreiche Online-Kurse bekannter Köche, die seit einigen Monaten wie Pilze aus dem Boden sprießen.

Wer den einmal angefutterten Corona-Speck wieder loswerden will, muss allerdings schon etwas mehr tun, als sich gesund und ausgewogen zu ernähren. Eine gute Möglichkeit, den überflüssigen Pfunden zu Leibe zu rücken, ist das Intervallfasten. Dabei isst man 16 Stunden lang gar nichts und nimmt in den übrigen acht Stunden zwei Mahlzeiten zu sich. Es gibt auch die Alternative, an fünf Tagen in der Woche ganz normal zu essen und an den anderen beiden Tagen fast nichts. Familien mit Kindern rät Dr. Luci, diese Methode einmal in einer besonderen Variante ausprobieren. „Dabei verzichtet man die ganze Woche über auf Süßigkeiten und darf dafür am Wochenende essen, was man will“, erklärt sie. Auf dieses Experiment dürften sich Kinder gerne einmal einlassen. Auch das Darmfasten, bei dem zunächst der Darm gesäubert und Giftstoffe ausgeleitet werden und dann die Darmflora wieder aufgebaut wird, kann dazu beitragen, Körper und Gewicht wieder in ein gesundes Gleichgewicht zu bringen. „Das sollte aber ebenfalls nur unter ärztlicher Aufsicht geschehen“, rät Dr. Luci.

Alle Ernährungs- und Abnehmtipps sind jedoch nutzlos, wenn man sich im Alltag nicht oder nicht ausreichend bewegt, so wie es Studien zufolge derzeit fast 40 Prozent aller Erwachsenen und Jugendliche tun. Denn Pfunde purzeln nur, wenn wir mehr Energie verbrauchen, als wir durch Essen und Trinken zu uns nehmen. Erst dann geht unser Körper an die Fettreserven. Sport hat nach Angaben von Dr. Luci noch zwei weitere Vorteile: „Je mehr Sport man treibt, desto weniger Hunger hat man“, sagt sie. Und: „In der Zeit, in der man sich sportlich betätigt, vermeidet man Essen aus Langeweile.“ Ein gutes Argument in Zeiten, in denen so wenige Freizeitaktivitäten möglich sind.

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