Eine herzzerreißende wie völlig unverdächtig klingende Anzeige rief den Münchner Bund der Katzenfreunde auf den Plan: Ein armes, aufgegriffenes Kätzchen sollte verkauft werden. Übergabeort: Ein Parkplatz im Landkreis Dachau. Die Verkäuferin stieg nicht mal aus, reichte das sehr geschwächt wirkende Tierchen durch das Autofenster. Am nächsten Tag wieder eine Verkaufsanzeige der Frau. Sie war dem Tierschutzverein Dachau bekannt, bei einer mit Zivilbeamten fingierten Übergabe wurden sechs Katzenkinder gefunden, das kleinste wog nicht einmal 500 Gramm. Illegaler Hundewelpenhandel ist gottlob präsenter geworden, aber es betrifft längst auch Katzen. Befeuert durch die Corona-Pandemie!
Brigitte Groß von Rassekatzen in Not ist besorgt. „Im ersten Lockdown letztes Jahr habe ich noch Katzen an gute Plätze vermittelt, auch ältere Tiere. Aber mit der zweiten Welle wurden wir von Anfragen überrollt. Und die Gründe werden immer fragwürdiger: Mein Kind hasst Homeschooling, so eine Katze lenkt es etwas ab. Ich bin allein daheim, ich möchte etwas zum Liebhaben. Diese Menschen hatten aber alle keinen Plan, was denn nach dem Lockdown ist. Wer dann die Katze versorgt, wenn das Homeoffice passé ist, was im Urlaub geschieht.“ Groß hat ihre Vermittlungstätigkeit auf unbestimmte Zeit komplett eingestellt, denn es ist abzusehen, dass all diese eilig angeschafften Tiere in einer ganz anderen Welle zurückgegeben werden und in Tierheimen landen. „Erste Katzen gehen schon zurück, vor allem, weil aus den süßen Katzenbabys nun erwachsene Tiere geworden sind.“
Im Internet ist der Wahnsinn voll im Gange. Findige Händler verticken schon Bauernhofkatzen für 300 Euro. Wer noch eine unkastrierte Katze hat, lässt sie decken. Katzenbabys bringen schnelles Geld. Tiervermittler und Tierheime stellen fest: Früher hat eine Familie ein Haustier abgegeben, wenn ein Baby kam. Begründung war oft Überforderung. Heute gibt’s zum Menschenkind gleich noch Tierbabys dazu – Stress, brachliegende Nerven sind da vorprogrammiert!
Spontankäufe wie bei Hunden und sogar Pferden, um der Einsamkeit zu entrinnen, gibt es längst auch bei Katzen. Die Sorge ist berechtigt, dass die „Tierheime überlaufen“ werden, wie Groß betont. Tierschützer wundern sich da nur über Medienberichte, die den Trend mit Titeln wie „Deutschland ist auf den Hund gekommen“ oder „Neuer Boom bei den Samtpfoten“ noch befeuern.
Und wie bei den Internet-Wühltisch-Welpen ist es bei den Kätzchen ebenso tragisch: Sie sind meist sehr krank, haben Flöhe, Durchfall, Würmer – und die Katzenseuche FIP. Sie sind zu jung, sind nicht geimpft und nicht per Chip und/oder Tattoo gekennzeichnet. Bei Katzen scheint es sogar noch leichter zu gehen und die Neubesitzer sind ja auch in der irrigen Meinung, dass eine Katze viel einfacher allein zu halten und günstiger im Unterhalt kommt. Man kann es nicht oft genug herunterbeten: Katzen sind Einzeljäger (im Gegensatz zum Rudeljäger Hund/Wolf), aber das ist etwas ganz anderes als Einzelgänger! Katzen sind vielmehr sehr soziale Familientiere, die gerne Freundschaften untereinander schließen. Viele Katzenbesitzer berichten, dass vor allem kastrierte Kater dicke Kumpels werden, gemeinsam spielen und „um die Häuser“ ziehen. weiß Jutta Aurahs vom Bund der Katzenfreunde. „Wer mit unkompliziert meint, dass die Katze einfach mitläuft und mit Futter und sauberem Klo zufrieden ist, sollte besser nur Katzen-Videos anschauen. Katzen brauchen u. a. einen menschlichen Partner, dessen ausgiebige Anwesenheit und eine tägliche gemeinsame Spielzeit sowie Streichel-Rituale!“
Interessante Links
> www.bund-der-katzenfreunde.de
> www.rassekatzen-in-not.com