Jetzt in diesem Moment greifen sich Millionen von Menschen weltweit ins Kreuz, weil ihnen der Rücken wehtut. Das kann äußerst schmerzhaft und unangenehm sein, ist aber in vielen Fällen auch ein Warnsignal.
Ob beim Gehen, Stehen, Sitzen oder Liegen – immer wieder schmerzt vielen Menschen der Rücken. Die Betroffenen tragen damit im wahrsten Sinne des Wortes ein schweres Kreuz und suchen sehnlichst nach Heilung oder wenigstens nach Linderung ihrer Beschwerden. „Unser Rücken und alle seine Strukturen sind nicht nur ein technisches Meisterwerk, sondern auch so etwas wie ein Empfangssystem“, sagt Wirbelsäulenexperte Dr. Reinhard Schneiderhan aus Taufkirchen bei München. „Denn Kreuzschmerzen weisen in der Regel immer auch auf ein anderes Problem hin. Dieses müssen wir lokalisieren und können es dann in den meisten Fällen auch gut und effektiv behandeln“, weiß er aus Erfahrung.
Denn vielen Menschen ist nicht bewusst, dass Rückenschmerzen mehr als einen Auslöser haben können. Deshalb reicht der kurze, routinemäßige Blick des Orthopäden auf das Röntgenbild oder auf die Aufnahme vom Computertomografen nicht aus, um eine richtige Diagnose zu stellen und eine Erfolg versprechende Therapie einzuleiten. „Ohne eine vernünftige Anamnese ist es kaum möglich, Patienten optimal zu helfen“, sagt Dr. Schneiderhan vom gleichnamigen Medizinischen Versorgungszentrum in Taufkirchen. „Deshalb gehört neben einer gründlichen körperlichen Untersuchung auch das Gespräch mit dem Arzt unbedingt dazu. Wir können dann zwischen gelben und roten Warnsignalen unterscheiden.“
Was ist damit gemeint? Als Autofahrer weiß jeder bei der Farbe Gelb, dass er auf die Bremse gehen muss, weil er sonst eine rote Ampel überfährt. Das ist eine schöne Metapher, die sich gut auf Rückenschmerzen übertragen lässt: Der Körper sagt, bis hierhin und nicht weiter, spätestens jetzt ist es Zeit zu handeln. Zu den gelben Warnsignalen gehören vor allem emotionale, soziale und psychische Faktoren.
Und diese haben sich in Pandemiezeiten noch einmal deutlich verschärft. „Wir wissen schon seit längerer Zeit, dass etwa 30 Prozent aller Rückenschmerzen auf die Psyche zurückzuführen sind“, sagt der Experte. „Das können depressive Verstimmungen oder gar Depressionen sein. Hier gilt es dann, keine Zeit mehr zu verlieren und zum Arzt zu gehen. Denn sonst kann sich das leider zu einem chronischen Problem ausweiten.“
Wer immer wieder unter Kreuzschmerzen leidet, sollte folgende Fragen ehrlich beantworten, um die gelben Faktoren bei Rückenschmerzen zu entdecken:
– Leiden Sie unter Depressionen, Ängsten oder depressiven Verstimmungen?
– Befinden Sie sich derzeit in einer Lebenskrise?
– Haben Sie berufliche Probleme?
– Versuchen Sie Konfliktsituationen aus dem Weg zu gehen?
– Haben Sie eine eher pessimistische Lebenseinstellung?
– Fühlen Sie sich isoliert und alleine?
– Haben Sie Probleme mit dem Partner, der Partnerin oder guten Freunden?
– Sind Sie mit sich selbst unzufrieden?
– Gehen Ihnen Ihre Rückenschmerzen furchtbar auf die Nerven?
Je mehr Fragen man mit Ja beantwortet hat, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Rückenschmerzen eine psychische Ursache haben. Dann ist es an der Zeit, sich schnell Hilfe zu suchen, damit die Schmerzen nicht chronisch werden. Ideal ist eine Behandlung, die auf Rückenschmerzen ausgerichtet ist und dabei mehrere medizinische Fachrichtungen miteinbezieht.
Und was hat es nun mit den roten Faktoren bei Rückenschmerzen auf sich? Dafür sollten sich die Betroffenen folgende Fragen stellen:
– Leiden Sie unter neurologischen Ausfallerscheinungen? Dazu gehören unwillkürlicher Stuhlabgang und/oder Harndrang; Sensibilitätsstörungen, Taubheit in den Beinen, eine unerklärliche Muskelschwäche, Lähmungserscheinungen.
– Sind Sie in letzter Zeit schwerer gestürzt?
– Leiden Sie unter Osteoporose?
– Leiden Sie unter einem geschwächten Immunsystem, etwa durch Krankheit oder Medikamente?
– Liegt bei Ihnen eine Krebserkrankung vor?
– Nehmen Sie schon seit längerer Zeit Kortison?
– Nehmen die Rückenschmerzen in liegender Position zu?
– Leiden Sie schon länger als sechs Wochen unter den Rückenschmerzen?
Bei diesen roten Faktoren gilt: Wer mit Rückenproblemen zu kämpfen hat und auch nur eine dieser Fragen mit Ja beantwortet hat, sollte unbedingt einen Arzt aufsuchen. Dabei ist nicht gleich die große OP die Lösung, es gibt oft auch viel sanftere und schonende Behandlungsalternativen. kre