Eigentlich praktisch: Man paart sich und legt die Eier dann ins Nest eines Wirtes. Man spart sich die aufwendige Fütterung, frisst selber mehr und kann mehr Eier legen. Klingt nach einem guten Plan? Nun, ein Nachteil kann sein, dass die Wirte das Fremd-Ei erkennen und entfernen. Oder sie geben das Nest auf, legen und brüten anderswo neu. Es gibt Singvogelarten, die den Kuckuck-Trick durchschaut haben wie der Buchfink oder der Neuntöter. Seit rund 30 Jahren lehnen sie deren Eier ab – auch das ist Evolution. Gefährdet ist der Bestand an Kuckucken dadurch nicht, eher aber dann, wenn das Timing nicht stimmt. Ein Problem, dass der europäische Kuckuck durch den Klimawandel hat. Denn der verändert den Vogelzug. Klingt der durchschnittliche Temperaturanstieg um 0,95 Grad in Deutschland noch nicht dramatisch, verursacht er aber schon eine Verschiebung der Klimazonen um bis zu 100 Kilometer nach Norden. Der Frühling beginnt bis zu sieben Tage früher als noch vor 20 Jahren. Kurzstreckenzieher, die also „nur“ einen Weg von maximal 2000 Kilometer zurück ins Brutgebiet haben, kehren früher zurück und besetzten ihre Brutplätze. Langstreckenzieher, Vogelarten, die südlich der Sahara überwintern, kommen erschöpft an und finden bei ihrer Rückkehr im Frühjahr nicht mehr genügend Nahrung vor, weil sich viele Insekten bereits früher entwickelt haben und andere ihnen die besten Happen vor der Nase weggeschnappt haben. Und bei der Ankunft des Kuckucks Mitte April gibt es kaum mehr Nester mit Eiern, wo er sein Kuckuckskind platzieren könnte! Kuckuckseier müssen zwar nur elf bis zwölf Tage bebrütet werden, weil die Entwicklung des Embryos hier schon im ungelegten Ei beginnt. Oft ist der Kuckuck dennoch zu spät dran, die Wirtsvögel sind einfach schon zu weit im Brutgeschehen. Der Verlust von Rastbiotopen auf den Zugwegen und illegale Verfolgung bei seiner Rückkehr nach Bayern macht ihm ebenfalls zu schaffen.
Der Kuckuck ist außerdem ein Traditionalist. Er ist eine der Arten, die an ihrer Zugtradition festhalten, und jedes Jahr im Herbst rund 7000 Kilometer bis ins Quartier südlich des Äquators fliegt. Ihm bleibt bei der langen Reise wenig Zeit im Brutgebiet: Nur rund drei Monate, von Mitte April bis Ende Juli, ist er in Bayern. Seit 1850 wird der Bestand bereits als abnehmend eingeschätzt, Daten wurden seit 1990 erhoben. Dass der Bestand des Kuckucks seitdem um 17 Prozent abgenommen hat, liegt neben seinem schlechten Timing aber auch am Rückgang der Wirtsvogelarten.
Der Brutparasitismus in der Vogelwelt ist eine hochkomplexe, Jahrmillionen alte und relativ seltene Strategie der Evolution. Es sind vor allem die Kuckucke weltweit, die sich als Brutschmarotzer hervortun. Die meisten mit der Strategie findet man in Afrika: Dort betreiben 50 Arten keine Brutpflege, in Südostasien kommen 34 Vogelarten dazu. Auch die amerikanischen Kuhvögel zählen dazu – auch wenn sie netter sind. Während der kleine Kuckuck die anderen Jungtiere im Nest tötet, in dem er sie einfach über den Nestrand wirft, lebt ein junger Kuhvogel mit den Stiefgeschwistern im Nest zusammen. Kein schlechter Deal: Biologen fanden heraus, dass man mit Geschwistern größer und gesünder wird, als wenn man allein im Nest sitzt. Offenbar helfen die falschen Geschwister beim Betteln um Nahrung – wobei der Kuhvogel am meisten erwischt, weil er den Schnabel am weitesten aufreißt. Grund, warum der Vogel schnell doppelt so groß wie die anderen im Nest ist und gut genährt ins Leben starteen kann.
Der Honiganzeiger lebt in Westafrika und gehört zu den Spechtvögeln. Elf Arten gehen die Sache genauso an wie der Kuckuck. Ein Weibchen legt jährlich bis zu 20 Eier jeweils einzeln in die Nester von höhlenbrütenden Spechten, Baumhopfen und vor allem Bienenfressern. Schlüpft ein junger Honiganzeiger,wird es brutal. Er nutzt seinen Eizahn, um die Eier der „Mitbewohner“ aufzupicken, oder er benutzt ihn als Waffe, um bereits geschlüpfte Jungtiere sofort nach dem Schlüpfen zu töten.