Corona macht auch Gesunden psychisch zu schaffen

von Redaktion

LMU-Psychologin Kristina Adorjan: „Wir können die Folgen der Pandemie noch gar nicht absehen“

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf die psychische Gesundheit aus und wer ist am stärksten betroffen? In den Kliniken der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) wurde das untersucht. 7500 Mitarbeiter haben an der Befragung teilgenommen – vom Chefarzt bis zum Reinigungspersonal. Dabei zeigte sich, dass sechs Prozent der Mitarbeiter psychisch stark belastet sind.

Dieses Ergebnis gab Kristina Adorjan bei der Weiterbildungsveranstaltung der Vereinigung Health Care Bayern bekannt. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie ist Leiterin der Station B der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU.

Die Ergebnisse der Untersuchung überraschen. Am meisten belastet waren nicht – wie man annehmen könnte – die Mitarbeiter der Intensivstationen. „Am höchsten waren die psychischen Belastungen bei dem Menschen, die in der Verwaltung arbeiten, und bei den Reinigungskräften“, sagte Adorjan. Sicher sei die Untersuchung nur eine Momentaufnahme und über die Gründe könne man nur spekulieren, aber vermutlich liege es auch daran, dass auf den Intensivstationen Leute arbeiten, die darauf trainiert worden sind, mit Stress umzugehen. Die Verwaltungsmitarbeiter hingegen hätten sehr viel Stress gehabt mit dem Pandemiemanagement und zudem darunter gelitten, dass viele Regelungen im Detail sehr unklar waren.

Welche Nachwirkungen die Pandemie langfristig habe, sei unklar: „Wir können die Folgen noch gar nicht absehen“, so Adorjan: „Wir machen und sehr große Sorgen um die Kinder und Jugendlichen, um deren Bildung und auch über die in der Isolation oftmals sehr stark geforderten Eltern.“

Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass die Menschen in der Corona-Krise erheblich mehr unter psychischen Krankheiten litten als zuvor. So zeigten im Juni 2020 in Großbritannien 19 Prozent der Versicherten Symptome für eine Depression. In den Monaten davor waren es nur zehn Prozent. Symptome von Angststörungen hatten im Dezember 2020 ganze 42 Prozent der Einwohner von Großbritannien – im Januar 2019 waren das nur 11 Prozent der Erwachsenen. Die Sorge der Psychologen ist, dass die Verschlechterung der psychischen Gesundheit noch lange nach der Pandemie andauern, sagte Adorjan.

Man sei dabei, eine Stufenskala für das Eingreifen zu entwickeln. Bei unterschwelligen Beeinträchtigungen sei wachsames Abwarten angezeigt. Liegen bereits leichte psychische Beeinträchtigungen vor, gebe man den Betroffenen einen Plan zum Selbstmanagement an die Hand, in dem verschiedene Lösungsmöglichkeiten für ihre Probleme vorgeschlagen und erklärt werden. Sind die Störungen stärker, empfehle man zu dem Selbstmanagement-Plan auch vier Online-Sitzungen mit einem Psychologen. Bei schweren Störungen dann sei eine erweiterte Online-Psychotherapie angezeigt.

Übrigens: Psychische Erkrankungen sollte niemand als Zipperlein abtun: In den vergangenen 19 Jahren ist ein enormer Anstieg zu verzeichnen. So stiegen die Krankschreibungen wegen psychischen Erkrankungen seit 1997 um 239 Prozent an. Laut einer Untersuchung der DAK gab es im Jahr 1997 je 100 Versicherte 2,5 Tage Arbeitsunfähigkeit wegen psychischer Krankheit. Im Jahr 2019 waren es 7,4 Tage.

Adorjan war bei dem Vortrag eingesprungen für den ärztlichen Direktor Professor Peter Falkai, der verhindert war.  svs

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