Die Nase läuft selbst in den unmöglichsten Situationen, auch die Nasenatmung ist eingeschränkt, die Stimme näselt. Der Verlust des Geruchssinns und der komplexen Geschmackswahrnehmung sowie Kopfschmerzen und Schlafstörungen kommen dazu. Lebensaktivitäten und Freude nehmen deutlich ab. Häufig gesellen sich zu alledem noch Asthma und Allergien der Atemwege hinzu.
Diese Symptome kommen gar nicht mal so selten vor: Es sind immerhin zehn bis fünfzehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung, die sich sowohl mit einer chronischen Entzündung der Schleimhaut der Nase und der Nasennebenhöhlen (chronische Rhinosinusitis) herumschlagen müssen. Bei manchen Patienten wuchert zusätzlich auch noch die Schleimhaut und bildet Polypen – ein Krankheitsbild, das man chronische Rhinosinusitis mit nasalen Polypen (CRSwNP) nennt.
Der Leidensdruck bei dieser Erkrankung ist teilweise sehr hoch. „Zum Teil ist die Lebensqualität – vor allem bei Patienten mit Nasenpolypen – sehr stark eingeschränkt. So leiden 30 bis 70 Prozent der CRSwNP-Patienten zusätzlich unter Asthma. Auch psychische Begleiterkrankungen treten auf“, erklärt Professor Heidi Olze, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Klinische Immunologie, Allergologie und Umweltmedizin der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie.
Auf die engeren Zusammenhänge bei den Atemwegen geht Privatdozent Dr. Adam Chaker von der Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik des Klinikums rechts der Isar genauer ein: „Lunge und Nase gehören zusammen: Die Nase ist der Teil der Lunge, die man mit dem Zeigefinger erreichen kann. Das Asthma der Lunge kann an der Nase liegen, denn die chronische Nasennebenhöhlenentzündung ist das Asthma der Nase. Wenn es also der Nase gut geht, geht es auch der Lunge besser.“
Nun gibt es berechtigten Optimismus, dass Betroffene endlich wieder aufatmen und buchstäblich tiefer durchschnaufen können. Grund dafür ist eine Therapie mit Biologika, die diese Hoffnungen aufkeimen lässt: Das sind Medikamente, die gezielt in die ursächlichen Krankheitsmechanismen eingreifen und den Leidenden das Leben in Zukunft erleichtern könnten.
In der bisherigen Standardtherapie wird die chronische Rhinosinusitis mit nasalen Polypen durch Nasenspülungen mit Salzlösung und nasalen Glukokortikoiden (cortisonhaltige Nasensprays) behandelt, und auch systemische Glukokortikosteroide in Tablettenform werden eingesetzt. Wenn die konservative Therapie nicht ausreicht, ist eine Nasennebenhöhlen-Operation angeraten, bei der die Nasenpolypen entfernt werden. Doch bei schweren Verlaufsformen der Krankheit passiert es leider nicht selten, dass die Standardtherapie nicht ausreichend ist – bei einigen Patienten entwickeln sich die Polypen immer wieder.
Der Therapieansatz der Biologika – das ist eine relativ junge Kategorie von Arzneistoffen, die mit biotechnologisch aufwendigen Verfahren hergestellt werden – hilft genau in diesen Fällen einer schweren, unkontrollierten CRSwNP. Dafür ist es sehr hilfreich, dass die immunologischen Mechanismen, die zu einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung mit nasalen Polypen führen, heutzutage schon gut untersucht sind. In 80 Prozent der Fälle liegt dem keine Infektion, sondern ein Entzündungsphänomen zugrunde, wie man es auch von allergischen Entzündungen kennt. Auf diese Erkenntnisse aufbauend, konnten Wissenschaftler die Biologika entwickeln, die individuell für jeden einzelnen Patienten bei bestimmten Botenstoffen oder spezialisierten weißen Blutkörperchen ansetzen und so die Entzündung reduzieren.
Die neuen therapeutischen Alternativen kommen den Patienten zugute, bei denen bisher keine dauerhafte Verbesserung des Geruchssinns und der Nasenatmung möglich war. „Wie Studien an vielen Patienten zeigen konnten, reduzieren die zwei Wirkstoffe Dupilumab und Omalizumab Nasenpolypen und weitere Symptome der CRSwNP wirksam und sicher. Die Lebensqualität der Patienten verbessert sich entscheidend“, berichtet Olze, die Direktorin der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde an der Charité-Universitätsmedizin Berlin ist. Dupilumab und Omalizumab sind die ersten beiden Biologika, die dafür in Deutschland zugelassen wurden.
Privatdozent Dr. Chaker vom Klinikum rechts der Isar hat sich besonders mit den gravierenden Auswirkungen der tückischen Krankheit auf den Allgemeinzustand befasst: „Die Patienten riechen und schmecken über einen langen Zeitraum nicht. Durch die Atemwegserkrankung ist die Schlafqualität schlecht. Ferner beeinflusst die ständige Entzündungslast die körperlichen Aktivitäten und die Belastbarkeit bei der Arbeit, führt zu Problemen im emotionalen Bereich und damit insgesamt zu einer geringeren Lebensqualität.“ Biologika können die Lebensfreude hingegen wieder neu aufblühen lassen, weil die Polypen kleiner, der Schlaf und das Riechen besser sowie die Nase freier werden.
Doch auch in Zukunft werden Nasensprays die Grundlage der Therapie darstellen, auch kleinere oder größere Operationen bleiben notwendig. Moderne diagnostische Methoden würden aber dazu beitragen, weitere Indikationen für den Einsatz von Biologika bei diesem Krankheitsbild zu etablieren, so die Berliner Expertin. Dann könne man durch Untersuchungen noch genauer vorhersagen, welche Patienten von den Biologika profitieren.
Leider sind die genauen Ursachen für eine chronische Sinusitis wissenschaftlich noch nicht hinreichend erforscht. Aber auch Hilfe zur Selbsthilfe kann den Betroffenen – wenn auch nur im geringeren Maße – helfen. „Das Beste, was man machen kann, ist, nicht zu rauchen, und alle unnötigen Belastungen der Atemwege wie etwa Kochen über offenem Feuer und Tätigkeiten mit hoher Partikelbelastung zu vermeiden. Der gesunde Menschenverstand legt außerdem nahe, darauf zu achten, dass man im häuslichen Umfeld möglichst wenig Feinstaub ausgesetzt ist“, rät Dr. Chaker.
Biologika greifen ganz gezielt ein
Hohe Einbußen der Lebensqualität