München – Im Kampf gegen Arthrose stecken die Ärze in einem Dilemma. Noch immer können sie die Verschleißerkrankung nicht heilen. Allerdings haben Orthopäden inzwischen bessere Konzepte, um das Fortschreiten zumindest zu verlangsamen beziehungsweise die Lebensqualität der Patienten selbst bei Arthrose im fortgeschrittenen Stadium wieder erheblich zu erhöhen. „Dabei hat sich die Behandlungsstrategie in den vergangenen Jahren etwas verändert – vor allem am Knie“, erklärt Dr. Manuel Köhne von der Orthopädischen Chirurgie München (OCM).
So verlieren Kortison-Spritzen ins Gelenk an Bedeutung und werden zunehmend durch sogenannte Eigenbluttherapien ersetzt. Dieses Prinzip wird neuerdings auch bei der Reparatur von Knorpeldefekten genutzt. Und beim Gelenkersatz kommen immer öfter Teilprothesen zum Einsatz, die in der Fachsprache Unischlitten genannt werden. In unserer Zeitung erklärt Kniespezialist Köhne, der unter anderem Deutschlands alpine Ski-Asse als leitender Mannschaftsarzt betreut, wie Arthrosepatienten von den modernen Behandlungsstrategien profitieren können. Zwei Patientinnen schildern dazu ihre persönlichen Erfahrungen.
Dr. Manuel Köhne wird von seinen Patienten immer mal wieder gefragt, was er an ihrer Stelle tun würde, wenn sein eigenes Knie lädiert wäre. Weil der 41-Jährige bislang noch von Arthrose verschont geblieben ist, erzählt er bei solchen Fragen stets von seiner Mama. „Ihr habe ich eine Eigenbluttherapie empfohlen – und damit hat sie ihre Beschwerden gut in den Griff bekommen. Für die eigene Familie will man ja nur das Beste, und deshalb kann ich es jedem anderen Patienten auch guten Gewissens empfehlen.“
Christine Köhne (66) ist Inhaberin des Geschäftes „Quilt et Textilkunst“ in der Münchner Innenstadt. „Ich arbeite viel im Stehen, bin praktisch den ganzen Tag auf den Beinen.“ Als ihre Knie immer öfter Probleme machten und anschwollen, stellte sich ein flächiger Knorpelverschleiß heraus – eine mittelgradige Arthrose. Seit sieben Jahren wird Christine Köhne mit Eigenbluttherapien behandelt. Dabei wird ihr eine kleine Menge Blut abgenommen (etwa 15 Milliliter), in einer Spezialzentrifuge aufbereitet und direkt in die Knie gespritzt. Die Strategie dahinter: In der Zentrifuge wird das Plasma mit Wachstumsfaktoren herausgefiltert. Dieses gelbliche Plasma-Konzentrat ist praktisch ein natürliches Medikament, das die Selbstheilungskräfte des Körpers ankurbelt.
Die Prozedur erfolgt in Zyklen im Abstand von ein bis zwei Jahren. Jeder Zyklus besteht aus drei Injektionen, die im Abstand von jeweils einer Woche verabreicht werden. Die Effekte: „Das Plasma-Konzentrat wirkt entzündungshemmend. Die Schwellung geht zurück, außerdem wird das Gelenk geschmiert“, erklärt Köhne.
Und seine Mutter Christine bestätigt: „Die Schmerzen sind stark zurückgegangen, und meine Knie werden auch nach sehr langen Arbeitstagen im Laden nicht mehr dick.“
In der Fachsprache wird die Eigenblut-Therapie PRP genannt, die englische Abkürzung steht für Platelet Rich Plasma. Dabei handelt es sich ausschließlich um das eigene Blutplasma des Patienten, das reich an Blutplättchen und Wachstumshormonen ist. In vielen Praxen ist auch von ACP die Rede: Autologes Conditioniertes Plasma – ein Markenname, den sich die Münchner Medizintechnikfirma Arthrex gesichert hat. Das Prinzip ist dasselbe wie bei PRP.
„Die Therapie bietet sich vor allem bei leichter bis mittelgradiger Arthrose an. Der Nutzen ist in mehreren wissenschaftlichen Studien nachgewiesen worden“, erläutert Köhne. „Zusätzlich zur entzündungshemmenden und schmierenden Wirkung werden durch die Wachstumsfaktoren auch die noch bestehenden Knorpelzellen gestärkt.“ Eigenbluttherapien helfen dem Körper praktisch dabei, Entzündungen, die von der Arthrose verursacht werden, effektiv zu bekämpfen. „Bei Kniearthrose haben PRP bzw. ACP inzwischen Kortison verdrängt und fast vollständig abgelöst“, weiß Köhne.
Die Gründe: Injektionen mit Kortison gelten zwar als effektiv, aber auch als riskant. Denn dieses Medikament setzt die körpereigene Immunabwehr herab und erhöht die Gefahr eines Infekts – in einem vorgeschädigten Knie der Super-GAU. Zugegeben: Während der Patient nach Kortisonspritzen oft bereits nach kurzer Zeit eine Schmerzlinderung verspürt, muss er sich nach Eigenblutbehandlungen meist einige Tage bis Wochen gedulden. Dafür haben PRP bzw. ACP allerdings keine Nebenwirkungen. Einzige nennenswerte Ausnahme: ein Rest-Infektionsrisiko, das allerdings deutlich geringer ausfällt als im Zusammenhang mit Kortisonspritzen.
Auf der Basis von ACP gibt es neuerdings auch ein Verfahren zur Reparatur von kleineren Knorpeldefekten. Es heißt „Minced Cartilage“ und bedeutet so viel wie „zerkleinerter Knorpel“. So geht’s: In einer kleinen offenen Operation – der Hautschnitt beträgt nur ein bis zwei Zentimeter – schneidet der Arzt am Randbereich des Schadens etwas gesunden Knorpel ab. „Dieser kommt in ein spezielles Gerät, wird darin zerkleinert und mit ACP vermischt. Die Mixtur wird mit Gewebekleber vermengt und wie eine Art Paste in das Loch im Knorpel gefüllt“, berichtet Köhne. „Vereinfacht erklärt entsteht eine Art Flicken in der Knorpeloberfläche, ähnlich wie bei einem Schlagloch im Asphalt.“
„Minced Cartilage“ hat einen großen Vorteil: Anders als bei einer Knorpelzelltransplantation – dabei werden gesunde Knorpelzellen entnommen, im Labor vermehrt und wieder eingesetzt – muss sich der Patient nicht zwei Mal, sondern nur einmal unters Messer legen. „Erste Ergebnisse zeigen, dass das neue Verfahren bei überschaubaren, lokal begrenzten Knorpeldefekten eine gute Behandlungsmöglichkeit darstellt“, analysiert Kniespezialist Köhne.
Bei großflächiger Arthrose kommt es allerdings ebenso wenig infrage wie eine Knorpelzelltransplantation. Wie dann vorgegangen werden kann, lesen Sie unten.