von Redaktion

VON NICOLA FÖRG

Es war ein Gänsehautmoment – gerade für Hans Schmid, wissenschaftlicher Leiter im Arosa-Bärenland. Bärin Jambolina lag gechillt in Seitenlage auf einer Holzkiste, die der Bärin als Höhle dient. Artgenossin Amelia, die draußen im Gelände eindeutig das Sagen hat und die Dominante ist, kam näher. Jambolina hob nicht mal den Kopf, blubberte nur und klapperte mit dem Kiefer. Amelia zog ab. Probierte es erneut, erntete dieselbe Reaktion. Es war eine Minimalkonversation, ein Zeichen von Souveränität und ganz klar die Ansage von Jambolina, dass die Kiste und der dazugehörige Raum ihrer ist. Hans Schmid war ungeheuer beruhigt. „Das zeigte mir, dass Amelia klar Jambolinas Streifgebiet akzeptiert, dass wir keine Kämpfe befürchten müssen.“

Freudige Momente, denn diese drei Bären – inklusive Meimo – sind weder Wild- noch Zootiere. Amelia und Meimo waren Attraktion eines Restaurants in Albanien. Als auch dort die Stimmung gegen eine solche Bärenhaltung umschlug, wollte der ehemalige Besitzer selber, dass die Tiere ein besseres Leben bekämen. Jambolina wiederum war Zirkusbärin in der Ukraine. Ihr Ballettröckchen, in dem sie Kunststücke vorführte, hängt heute in der bedrückenden Ausstellung in Arosa. Weil ihr Dompteur in der Corona-Pandemie keine Auftritte mehr hatte, saß die Braunbärin monatelang in einem viel zu kleinen Käfig in seiner Garage. Keine Bewegung, keine Kontakte – weder zu Menschen noch Artgenossen. In Arosa bewegte sie sich zuerst nur im Innenbereich, beobachtete die beiden anderen. Durfte dann in einen von den anderen abgetrennten Anlageteil. Trat hinaus und war verunsichert. Dann rannte sie auf einmal. Spürte, was Bewegung ist. „Bei ihr hat sich die Verunsicherung eher in Rennen ausgedrückt“, sagt Pascal Jenny, Präsident der Stiftung Arosa Bären. „Sie war wirklich erschöpft.“ Dann kam die behutsame und schrittweise Vergesellschaftung. Fast drei Hektar sind für eine Käfigbärin unendlich. Doch alle Tiere „finden schnell zu ihren Urinstinkten zurück“, sagt Jenny und blickt über das abschüssige Gelände. „Felsen, Wiesen, Tümpel und Wald, die Bären haben die Wahl, sie können sich jederzeit zurückziehen.“ Von einer Plattform aus können Besucher den drei Bären bei ihrem Treiben zuschauen. Jenny erhält immer mal die Anfrage, ob man denn, sollten wilde Bären zuwandern, die „nicht einfangen könne und dazusetzen?“ Er lächelt. „Für einen wilden Bären ist das ein Gefängnis, für diese Bären jedoch ein Lebensraum. Sie sind auch nicht mehr auszuwildern.“ Aber sie sind Botschafter, über Tierhaltung nachzudenken.

Der erste Bär war 2018 Napa, ein ehemaliges serbisches Zirkustier. Er hatte in einem winzigen, verrosteten und vermüllten Metallkäfig, der keinerlei Schutz vor Regen und Sonne bot, dahinvegetiert. Da es in Serbien bereits seit 2009 ein Wildtierverbot in Zirkussen gab, konnte er über Jahre nicht auftreten, nie den Käfig verlassen. Nach viel Hickhack konnte Napa konfisziert und übergangsweise im serbischen Zoo Palic untergebracht werden, bis er ins Bärenland kam.

„Er konnte die ersten zwei Wochen von der ebenen Fläche vor dem Innenbereich nicht in den Hang gehen. Das hat seine Bewegungskoordination nicht zugelassen“, erinnert sich Jenny. Napa waren nur etwas mehr als zwei Lebensjahre vergönnt, aber er hat in Arosa alles in Gang gesetzt. Bei der Eröffnung im August 2018 war es seine Geschichte, die zu Tränen rührte. Sein erstes Bad war für die Bevölkerung und die Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ ein magischer Moment.

Was Jenny aber am meisten begeistert hatte, war der letzte Winter. Restaurant- und Zirkusbären haben ja nie eine natürliche Winterruhe halten können. Den ersten Winter betrachteten Meimo und Amelia auch die Holzkisten als ihre Höhle. Aber im letzten Winter ruhten sie in Naturhöhlen in der Außenanlage und gruben sich ein. Waren meterhoch eingeschneit. Und es schneite weiter, die Zaunanlage versank. Als eine erste Snowboarder-Spur fast ins Gelände führte, musste der Zaun höher werden. Absolute Sicherheit ist eine der Säulen, auf denen die hohe Akzeptanz der Anlage ruht. Ein ausgeklügeltes System mit Strom und Schlössern, Notstromlösungen – und einem Hans Schmid, der sich immer und überall mit seinen insgesamt sieben Freiwilligen um die Bären sorgt.

Interessante Links

> www.arosabaerenland.ch

> www.vier-pfoten.ch/   kampagnen-themen/  tierschutzzentren/arosa-  baerenland

> https://saddestbears.  vier-pfoten.de/

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