Der lange, aber erfolgreiche Weg zur Akzeptanz

von Redaktion

DAS BÄRENLAND VON AROSA

In Arosa gibt es eine Flur namens Bärabad. Ein verstorbener Jäger behauptete, dort einst einen Bären geschossen zu haben. Davon existiert ein Tondokument. „Über den Wahrheitsgehalt mag ich aber nichts sagen“, lacht Pascal Jenny, heute Präsident der Stiftung Arosa Bären, damals noch Tourismusdirektor im alles verändernden Sommer 2010. Im Berner Zoo war klar, dass die dort geborenen Bären aus Platzgründen nicht bleiben können. Der Zoodirektor formulierte polemisch: „Die schieße ich ab!“ Ein ungekannter Shitstorm brach herein, er hatte vor allem die Politik aufrütteln wollen. Jenny bekam das Drama mit. „Ich hatte wohl erst ein halbes Weißbier“, lächelt er, weil er dann nämlich auf den sozialen Medien mitteilte: „Arosa löst das Problem!“ Was eher scherzhaft gemeint war, wurde ernst genommen: Zoodirektor Schildger kam und besichtigte das Bärabad. War begeistert, weil das eine perfekte Landschaft für Bären wäre. Jenny und einige mehr waren angefixt, entwickelten Konzepte und präsentierten diese schließlich bei den Bodenbesitzern. Die hören schweizerisch höflich zu und zerpflückten Jenny in der Luft. „So ein Seich, nicht mit uns! Und was, wenn solche Bären ausbrechen und uns fressen?“

„Vier Pfoten“ entging die Diskussion auch nicht. Die weltweit operierende Tierschutz-Organisation kämpft seit Jahren dafür, Zirkus-, Tanz-, Restaurantbären und Bären aus anderen schlechten Haltungsformen zu retten. Zu diesem Zeitpunkt, im Sommer 2010, betrieb „Vier Pfoten“ bereits drei Bärenschutzzentren in Österreich, Deutschland und Bulgarien. Man tastete sich vor. Warum kein neues Konzept? Eine klare Nullzucht-Strategie, kein Nachwuchs in Gefangenschaft. Statt eines Wildparks also eine Anlage für jene, die man aus Fesseln und Ketten befreit hat. „Ich war erschüttert, ich habe da nie wirklich darüber nachgedacht und mich hat das überzeugt“, erinnert sich Jenny. Ein neues Spiel, ein neues Konzept und eine neue Location!

„Das Areal gehört der Bürgergemeinde Chur, das hatte Arosa einst aus Geldnöten verkauft. Der Bürgermeister von Chur fand das zwar auch einen Seich, war aber so fair, es vorzuschlagen.“ Und Chur wollte Bären. Und Pascal Jenny lernte Flure, Stuben und Küchen kennen! „Ich bin wirklich wie ein Prediger oder wie ein Bettelmönch von Haus zu Haus, habe erklärt.“ Im November 2016 gab es dann ein überwältigendes „Ja“ der Aroser Bevölkerung, mit 78 % Zustimmung bei sehr hoher Abstimmungsbeteiligung. Eine Stiftung wurde gegründet, im August 2017 erfolgte der Spatenstich.

Im Juli 2018 kam Napa und seither haben drei weitere Tiere den Zusammenhalt einer ganzen Region verändert. Die Rhätische Bahn fährt nun mit einem Bärenwagen nach Arosa, wo Puppenspieler Andi Triet Kindern nun Bärengeschichten vorspielt. Seine Puppen hat er in Deutschland extra anfertigen lassen, sie sehen genau aus wie Amelia, Meimo und Jambolina. Hotels, die im Sommer geschlossen hatten, sind nun offen. „Tierschutz und Tourismus beflügeln sich gegenseitig“, sagt Jenny. Arosa hat Werbung für Pelze verboten und Silvester- wie auch Nationaltagsfeuerwerke! Drei Bären haben den Blick auf Naturzusammenhänge verändert, es gibt nun eine Wildtier-Akademie, die von innen agiert. Sie hat die Bevölkerung ins Boot geholt: Zum Beispiel einen Imker oder einen Jäger, die nun Führungen anbieten.

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