Herz-Alarm: So retten Stents Leben

von Redaktion

Wie die Gefäßröhrchen funktionieren und wann sie eingesetzt werden – Lebensqualität verbessern

VON NICOLE HUSS

Rund 300 000 Menschen in Deutschland erleiden jährlich einen Herzinfarkt. Für etwa zwei Drittel von ihnen ist der Stent, der in diesem Notfall eingesetzt wird, ein Lebensretter. Auch bei Patienten mit einer chronischen koronaren Herzkrankheit können die künstlichen Gefäßstützen helfen, die Angina pectoris, Hauptsymptom der koronaren Herzerkrankung, zu verbessern. Der Einsatz eines oder mehrerer Stents zählt inzwischen zu den kardiologischen Routine-Operationen. Dennoch ist der Eingriff im Herzkatheterlabor nicht ganz ohne Risiko. Und auch beim Leben mit Stent sollten Betroffene einiges beachten, um erneute Herzprobleme zu vermeiden.

Es ist nur ein bis drei Zentimeter lang und zwei bis fünf Millimeter dünn. Doch das kleine röhrenförmige Metall-Gittergeflecht kann Großes bewirken: Der Stent ist ein wahrer Lebensretter für Patienten mit Herzinfarkt. Zwischen 300 000 und 340 000 Stents werden herzkranken Menschen in Deutschland pro Jahr eingesetzt – Tendenz steigend. Die Bypass-Operation, die im Gegensatz zum minimalinvasiven Stent-Eingriff in Vollnarkose durchgeführt wird und eine weitaus längere Regenerationszeit nach sich zieht, nehmen Herzmediziner dagegen nur rund 35 000-mal pro Jahr vor.

Durch Stent geringere Infarkt-Sterblichkeit

Viele Menschen bekommen einen Stent als Akutmaßnahme bei einem Herzinfarkt eingesetzt. „Beim Herzinfarkt muss man sehr schnell handeln, da es infolge starker Kalk- und Fettablagerungen zu einem Einriss in der Gefäßwand kommt und sich an dieser Stelle abrupt Blutgerinnsel bilden, die einen akuten Verschluss im Gefäß bewirken“, erklärt Professor Steffen Massberg, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des LMU-Klinikums München.

Hinter dem Herzinfarkt, der sich typischerweise mit einem Druck und Engegefühl auf der Brust, ausstrahlenden Schmerzen in den linken Arm, kalten Schweißausbrüchen und Atemnot ankündigt, steckt in den meisten Fällen eine koronare Herzkrankheit. Sie zählt zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland und kann unbehandelt zu Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche oder im schlimmsten Fall eben zum Herzinfarkt führen. Rund sechs Millionen Menschen sind in Deutschland von der koronaren Herzerkrankung betroffen. „Während früher viele Menschen mit einem Herzinfarkt gestorben sind, hat der Stent als Therapieform dazu beigetragen, dass die Infarkt-Sterblichkeit rapide gesunken ist“, sagt Professor Massberg. Heutzutage überleben rund zwei Drittel aller Patienten den Infarkt.

Auch bei chronisch verlaufenden Herzerkrankungen kann das Einsetzen eines oder mehrerer Stents eine deutliche Symptomverbesserung bewirken – vorausgesetzt, man erkennt die Erkrankung rechtzeitig, so wie es bei Josef Gallecker der Fall war. Ein Jahr lang haben dem 86-jährigen Münchner beim flotten Spazierengehen die Arme wehgetan. Eine Herzuntersuchung ergab, dass seine Hauptarterie stark verstopft war und das Blut nicht mehr ungehindert fließen konnte. In einem einstündigen Eingriff setzte Professor Massberg dem Rentner drei Stents ein. „Schon ein paar Tage danach konnte ich wieder im Garten arbeiten und spazieren gehen“, sagt Gallecker erstaunt. Schmerzen habe er bei dem Eingriff nicht gehabt, abgesehen von leichtem Schwindel.

Gallecker gehörte eigentlich nicht zu den klassischen Risikopatienten. Er trinkt keinen Alkohol, raucht nicht und macht jeden Morgen eine Stunde lang Gymnastik. Vorsorgeuntersuchungen hielt er daher für unnötig. „Ich hatte Glück, dass meine Erkrankung rechtzeitig erkannt wurde. Lange wäre das nicht mehr gut gegangen“, sagt er.

Zur Herzvorsorge sollten alle Menschen gehen, die Risikofaktoren wie etwa Diabetes oder hohe Cholesterinwerte haben, starke Raucher sind oder in deren Familie sich Herzkrankheiten häufen. Auch ältere Menschen sollten sich regelmäßig untersuchen lassen. Mithilfe von EKG, Ultraschall, Kernspintomografie oder Szintigrafie lässt sich leicht abklären, ob eine Gefäßverkalkung in den Herzkranzgefäßen vorliegt. Dann kann der Kardiologe entscheiden, ob eine medikamentöse Behandlung genügt, ob der Einsatz eines oder mehrerer Stents sinnvoll oder sogar eine Bypassoperation nötig ist.

„Ein Stent hat den Vorteil, dass er die krankheitsbedingten Beschwerden oft unmittelbar behebt“, sagt Professor Massberg. In der Regel sind Patienten nach dem Eingriff mittels Herzkatheteruntersuchung (siehe Kasten unten) schon nach wenigen Tagen wieder mobil und dürfen sich nahezu normal belasten. Diese Erfahrung hat auch Werner Oel gemacht, dessen Herzkranzgefäße stark verengt waren und dem Professor Massberg zwei Stents eingesetzt hat. „Der Eingriff war ein Klacks. Ich hätte danach sofort aus dem Bett springen können“, berichtet der 79-jährige Pfaffenhofener.

Nach Angaben von Professor Massberg ist der Einsatz eines oder mehrerer Stents aber nur sinnvoll, wenn es sich lediglich um ein oder zwei verengte Gefäße handelt. „Wenn mehr als zwei Gefäße oder der Hauptstamm der Koronargefäße betroffen sind, ist eine Bypass-Operation oft die bessere Wahl“, sagt er. Ob ein Stent oder ein Bypass eingesetzt wird, hänge auch mit dem Alter zusammen. „Die Bypass-Operation kommt eher für jüngere Patienten in Frage, während es bei älteren Menschen vor allem darum geht, die Belastung einer größeren OP zu vermeiden und eine schnelle Mobilisation zu erreichen“, so der Kardiologe. Ungeeignet können Stents auch dann sein, wenn sich die Gefäßverengungen an ungünstigen Stellen mit Verzweigungen befinden. Auch bei Diabetes mellitus ist eine Stent-Implantation wegen der im Vergleich zur Bypass-Operation höheren Rate an Wiederverengungen oft nicht sinnvoll.

Auch wenn der Einsatz eines Stents minimalinvasiv erfolgt und die Implantation selbst oft nicht länger als 15 Minuten dauert, gibt es gewisse Risiken. Mögliche Komplikationen sind Blutungen an der Punktionsstelle und allergische Reaktionen auf das Kontrastmittel. In seltenen Fällen kann es zu Herzrhythmusstörungen, Thrombosen oder einem Gefäßverschluss kommen. „Bei einem geplanten Eingriff sollten Patienten deshalb darauf achten, dass ein gutes Herzteam, also ein Team aus Kardiologen und Chirurgen, vor Ort ist“, rät Massberg. Wer den Eingriff gut überstanden hat, darf meistens schon am nächsten Tag das Krankenhaus verlassen, nachdem zur Kontrolle ein Elektrokardiogramm und Blutuntersuchungen gemacht worden sind.

Der Stent kann im Körper bleiben

Bei Patienten mit einem akuten Herzinfarkt schließt sich an den Eingriff meist noch eine mehrwöchige Reha-Phase an. Zu Komplikationen nach der OP, wie einem Wiederverschluss des Stents durch eine Thrombose im Bereich des eingesetzten Stents, kommt es nur sehr selten. Um Blutgerinnsel zu vermeiden, müssen die Patienten aber noch für einige Zeit Blutplättchen-hemmende Medikamente einnehmen. Wenn der Stent keine Probleme bereitet, kann er lebenslang im Körper bleiben. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das verstopfte Gefäß nach dem Einsatz eines Stents wieder verengt, liegt nur bei rund zehn Prozent“, schätzt Professor Massberg.

Im Alltag sind Menschen mit einem Stent in der Regel nicht eingeschränkt. Wer seine Risikofaktoren für eine Verkalkung der Gefäße in den Griff bekommt, hat daher gute Chancen, mit seinem Stent noch lange leben zu können. Patienten sollten dabei auf eine ausgewogene Ernährung mit wenig Zucker, Salz und Fett achten und das Rauchen vermeiden, da dies die Blutgefäße verengt und schädigt. Sport ist mit einem Stent erlaubt und wird sogar ausdrücklich empfohlen. Dabei ist moderates Ausdauertraining, zum Beispiel Wandern, lockeres Joggen, Schwimmen und Fahrradfahren, besonders gut geeignet. Der bei Ballsportarten oft nötige Kraftaufwand sowie die abrupten Bewegungen können dem Herz dagegen schaden.

Josef Gallecker und Werner Oel haben schon kurz nach ihren Eingriffen wieder ausgedehnte Spaziergänge unternommen. „Ich fühle mich dabei so fit wie schon lange nicht mehr“, sagt Gallecker. Nur bei seinen morgendlichen Liegestützen ist der 86-Jährige vier Wochen nach dem Eingriff im Mai noch etwas vorsichtig.

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