Die Kinder wurden während der Pandemie vernachlässigt – mit nicht absehbaren Folgen. Professorin Renate Oberhoffer-Fritz, Dekanin der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften und Ordinaria des Lehrstuhls für Präventive Pädiatrie der Technischen Universität München, erklärt, was sie sich von der Politik erhofft:
Beobachten Sie auch, dass viele Kinder in der Corona-Zeit zugenommen haben?
Ja, ich bekomme auch von vielen Ärzten die Rückmeldung, dass sie neuerdings viele Kinder sehen, die extrem zugenommen haben. Dabei ist es unsere Aufgabe, die nächste Generation möglichst gesund ins Erwachsenenleben zu begleiten. Ich empfehle daher ambulante Reha-Programme sehr. Wer sich schon in jungen Jahren sitzendes Verhalten angewöhnt und Übergewicht draufsattelt, der tut sich im Erwachsenenalter umso schwerer, das zu ändern.
Während des Lockdowns war in den Schulen meistens kein Sportunterricht. Hat das geschadet?
Klar. Es ist verständlich, dass die Politik hier auf Sicht fuhr, aber den Kindern hat sie keinen guten Dienst erwiesen. Ich bin sowieso der Meinung, dass der Sportunterricht, so wie er noch immer gemacht wird, nicht mehr zeitgemäß ist. Die Noten müssen sekundär sein, es muss darum gehen, den Kindern Spaß an der Bewegung und eine gute Körperwahrnehmung zu vermitteln. Übungen am Barren, dem Reck oder auf einem Kasten sind vor allem für Übergewichtige schwierig, Notendruck setzt sie zusätzlich unter Stress und so kommt es, dass dann genau die es sind, die mit Ausreden auf der Bank sitzen und nicht mitmachen. Sportunterricht ohne Notendruck fände ich genial – Begabte besonders zu fördern, ist dann sicher immer noch möglich, aber man würde es auch schaffen, den Kindern zu zeigen, wie viel Spaß Bewegung in der Gruppe macht. Bei den Kindern ist ein dramatischer Leistungsabfall zu bemerken – sogar bei denen aus dem Bereich des Leistungssports.
Es sollte also eher um Prävention statt um Leistung gehen?
Ja genau. Wer sich früh ungesundes Verhalten angewöhnt, tut sich schwer damit, sich umzustellen. Wir sollten verstärkt auf Prävention setzen. Es ist immer noch sehr schwierig, finanzielle Mittel für Prävention zu generieren. Hier müssen wir umdenken.