So wirkt das Wetter auf die Gesundheit

von Redaktion

Zehn Tipps vom Bio-Meteorologen, wie Sie gut durch diesen wechselhaften Sommer kommen

VON DORITA PLANGE

München – Brütende Hitze und drückende Schwüle, gefolgt von Gewitterstürmen, Hagel, Temperaturstürzen und Dauerregen – und das alle paar Tage im Wechsel. Keine Frage: Der Sommer 2021 hat wetterfühligen Menschen bisher einiges zugemutet. Und das ist definitiv keine Einbildung. Je extremer und schneller das Wetter wechselt, desto mehr leiden empfindsame Menschen. Das liegt offenbar weniger an Luftdruckschwankungen als vielmehr am Luftmassenwechsel, der zum Beispiel Menschen mit niedrigem Blutdruck zusetzt.

Professor Dr. Andreas Mat-zarakis, Wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und Vorsitzender der Gesellschaft zur Förderung der Medizin-Meteorologischen Forschung in Deutschland, hat diese Zusammenhänge erforscht. Zusammen mit der Deutschen Seniorenliga hat er seine Ergebnisse im Heft „Wetter und Gesundheit“ zusammengetragen und mit einer Reihe praktischer Tipps versehen.

Atmosphärische Umweltbedingungen beeinflussen jedes Ökosystem auf Erden und damit auch den menschlichen Organismus. „Ob und in welcher Form Wetter und Klima den Einzelnen belasten, ist jedoch ganz unterschiedlich“, weiß Medizin-Meteorologe Prof. Matzarakis. Meteorologische Elemente wie Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung, Wind und Niederschläge stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander. Unser Organismus wird also nicht durch ein einziges, sondern stets durch das Zusammenspiel mehrerer meteorologischer Elemente beeinflusst. Die Humanbiologie unterscheidet vier Hauptwirkungskomplexe: Der Aktinische Komplex befasst sich mit Sonne und Strahlung. Wind, Temperatur und Luftfeuchte gehören zum Thermischen Komplex. Pollen, Gase und Partikel werden dem Lufthygienischen Komplex zugerechnet. Und Wettersituation und Wetterwechsel bilden die sogenannte Biotropie. Der Medizin-Meteorologe hat diese folgenden zehn Tipps, wie Sie bei Wetterwechseln und Temperaturschwankungen fit und gesund bleiben:

Anpassungstraining

Solange Sie körperlich gesund sind, können Sie die Anpassungsfähigkeit Ihres Körpers an Wetterkapriolen trainieren. Wirkungsvolle Maßnahmen sind z. B. Wechselduschen, Kneippkuren, regelmäßige Bewegung, Spaziergänge bei Wind und Wetter, Aufenthalte in Reizklimazonen wie z. B. an Nord- oder Ostsee. Sollten Sie körperlich angeschlagen oder krank sein, ist ein Anpassungstraining nicht empfehlenswert, da es nur eine zusätzliche Belastung bedeutet.

Wald und Meer tun gut

Luft ist ein Gemisch aus Stickstoff und Sauerstoff, diversen Gasen und Wasserdampf. Aerosole, Staubteilchen, Feinstäube, Abgase jeder Art und Pollen machen Menschen je nach Ausprägung, aber auch Wetterlage das Leben schwer. Salz in der Meeresluft und flüchtige aromatische Verbindungen in der Waldluft schaffen Erleichterung. Asthmatikern hilft zur Pollenflugzeit eine Maske und Pollengitter fürs Schlafzimmer.

Wissen macht’s leichter

Viele Menschen spüren es in den Gliedern, wenn das Wetter umschlägt. Dies äußert sich oft in Form von allgemeinem Unwohlsein und Abgeschlagenheit, kann aber auch ganz konkrete Beschwerden auslösen. So können z. B. Kopfschmerzen, Müdigkeit, verminderte Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit, Schlafstörungen und Gelenkschmerzen in Zusammenhang mit einem Wetterwechsel stehen.

Diesen Zusammenhang zu erkennen und richtig einzuordnen, ist für viele bereits eine kleine Erleichterung, weil sie wissen: Das geht auch alles bald wieder vorbei.

Achten Sie auf Ihre Psyche

Die Wetterfühligkeit lässt sich wissenschaftlich mithilfe der Biotropie des Wetters erklären. Je mehr meteorologische Elemente sich verändern, desto stärker muss der Organismus darauf reagieren. Wie gut das gelingt, hängt stark von der aktuellen körperlichen und auch psychischen Verfassung ab. Sind Sie z.B. gerade sehr angespannt, haben Sorgen und schlafen deshalb schlecht, macht Ihnen unter Umständen auch ein Wetterumschwung stärker zu schaffen.

Kein Mythos: Narbenschmerz

Das „schlimme Knie“ schmerzt wieder oder die alte Blinddarm-Narbe piekst und juckt? Viele schwören darauf, einen Wetterfrosch im Körper zu haben, der Umschwünge ankündigt. Stimmt, sagen Experten. Narbengewebe ist empfindlich und reagiert offensichtlich schneller und intensiver auf Luftdruckveränderungen. Etwas Kühlgel kann helfen.

Vorerkrankungen

Ist Ihr Gesundheitszustand durch eine Erkrankung geschwächt, können Wettereinflüsse die Gesundheit zusätzlich belasten und die Erkrankung verschlimmern. Reagieren Sie sehr empfindlich, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Möglicherweise ist die Anpassungsfähigkeit durch eine Erkrankung oder den schlechten Gesundheitszustand nämlich beeinträchtigt. Der Arzt kann dann therapeuthisch gegensteuern.

Schutz für die Älteren

Ältere Menschen vertragen abrupte Wetterwechsel und speziell Hitze und Schwüle aus vielerlei Gründen schlechter. Im Alter nimmt die Aktivität der Schweißdrüsen ab – das bedeutet, dass Senioren weniger schwitzen. Gleichzeitig lässt bei vielen auch das Durstgefühl nach. Beides erhöht das Risiko für Austrocknung und Überhitzung. Hinzu kommt, dass Senioren öfter an einer Grunderkrankung leiden oder Medikamente einnehmen, die Einfluss auf die Thermoregulation des Körpers haben.

Biowetter-Vorhersage

Wetterdienste fassen medizinisch relevante Wetterprognosen unter dem Begriff Biowettervorhersage zusammen. So können Sie sich auf Wetterwechsel einstellen und Aktivitäten gezielt planen oder auf schönere Tage verschieben, wenn Sie z. B. unter hohem Blutdruck oder einer Herzerkrankung leiden.

Das Online-Wetter-Tagebuch

Um rechtzeitig gegensteuern zu können, ist es gut, wenn Sie wissen, wie Sie in der Vergangenheit auf bestimmte Wettersituationen reagiert haben. Dabei hilft das Online-Wettertagebuch – kostenfrei zu haben unter www.menschenswetter.de

Achten Sie auf andere

Extreme Wetterlagen können eine ernst zu nehmende Gesundheitsgefahr sein. Besonders gefährdet speziell bei Hitze sind alleinstehende, ältere, pflegebedürftige, chronisch kranke und behinderte Menschen. Auch Beruhigungsmittel, entwässernde und blutdrucksenkende Medikamente begünstigen Probleme, ebenso wie Fieber oder der Konsum von Alkohol und Drogen.

Hier erfahren Sie mehr

Die Gesundheits-Wetter-App des Deutschen Wetterdienstes bietet für jede Region Deutschlands aktuelle Informationen zum Gesundheitswetter wie z. B. Wetterfühligkeit, Pollenflug, Hitze, UV-Index und Risikowarnungen. Zu finden im App-Store (DWD-Apps) oder unter www.dwd.de. Die Freischaltung kostet einmalig 0,99 Euro. Der DWD versendet unter dem Suchbegriff E-Mail Newsletter auf Wunsch auch per E-Mail Warnungen vor Hitze, UV-Belastung, Pollenflug sowie Warnungen für Pflegeeinrichtungen. Die DWD-Broschüre können Sie sich herunterladen unter https://www.deutsche-seniorenliga.de/infomaterial.html

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