München – Man sieht sie überall – in der U-Bahn, beim Spazierengehen und in der Schlange an der Supermarktkasse: die gebeugten Köpfe über dem Smartphone. Was viele dabei vergessen: Der menschliche Kopf wiegt rund sechs Kilo und nach vorne geneigt sind es schnell Kräfte von 20 Kilo, die auf den oberen Teil der Wirbelsäule einwirken. „Diese unnatürliche Haltung führt über kurz oder lang zu Muskelverspannungen und Verschleißerscheinungen, die Wirbelgelenke und Bandscheiben in Mitleidenschaft ziehen können“, sagt Wirbelsäulenexperte Dr. Reinhard Schneiderhan vom gleichnamigen Medizinischen Versorgungszentrum in München-Taufkirchen. Schon jetzt sind mehr als zehn Millionen Menschen in Deutschland von Nackenschmerzen betroffen und die Zahlen dürften weiter steigen. Denn vor allem bei Jugendlichen, die mit der neuen Technik aufwachsen und quasi damit verwachsen sind, dürfte es schon in jungen Jahren zu Problemen führen. Doch egal wie alt, jeder kann vorbeugen.
Die besten Tipps zur Vorbeugung
„Es ist unbedingt ratsam, regelmäßig Pausen einzulegen und Lockerungsübungen zu machen“, sagt Dr. Schneiderhan. „Außerdem sollte man sich angewöhnen, lieber das Gerät höher zu halten als den Kopf niedriger oder die Augen zu senken und nicht den Kopf.“
Ganz wichtig für alle, nicht nur für intensive Smartphone-Nutzer, ist sportliche Bewegung, um die Muskeln zu stärken.
Das kann regelmäßiges Krafttraining sein, sehr gut sind aber auch Sportarten wie Schwimmen, Pilates und Yoga. Wenn nur hin und wieder Beschwerden auftreten, reichen die soeben genannten Bewegungstipps meist aus, um sich schnell Linderung zu verschaffen.
„Bei akuten Problemen kann Wärme helfen, ebenso auch wie eine sanfte und entspannende Massage“, sagt der Experte.
„Wenn das aber nicht mehr hilft, liegt in den meisten Fällen bereits ein komplexeres Krankheitsbild vor und es ist unbedingt ratsam, einen Arzt aufzusuchen.“ Besonders häufig tritt das so genannte Zervikalsyndrom auf. Die typischen Symptome sind brennende und ziehende Schmerzen im Nacken, die bis in die Schulterblätter, den Kopf, die Arme und den Brustkorb ausstrahlen. Manche können den Kopf kaum bewegen oder die Schulter nur unter Mühen drehen. Wenn nichts dagegen unternommen wird, droht eine Chronifizierung des Krankheitsbildes.
Die Ursachen für die Beschwerden lassen sich bei einem genaueren Blick auf den Nackenbereich gut erklären: Unter jedem Halswirbel verlässt ein Nerv auf beiden Seiten das Rückenmark und zieht über den Arm zur Hand bis in die Finger.
Die schlechte Kopfhaltung führt zunächst zu Verspannung und schließlich zu Blockaden, Verschleißerscheinungen und sogar Bandscheibenvorfällen. Das alles kann zu einer schmerzhaften Nervenreizung oder gar Nervenentzündung führen.
„Unser wichtigstes Behandlungsziel ist es, eine Operation zu vermeiden“, sagt Dr. Schneiderhan. „Von daher kann ich nur dazu raten, ein interdisziplinäres Team aufzusuchen. Wenn Experten unterschiedlicher medizinischer Fachrichtungen einen Patienten genau unter die Lupe nehmen, ist die Wahrscheinlichkeit einer korrekten Diagnose am größten.“
Die modernen Operationsmethoden
Wichtig ist es, bei Nackenschmerzen nicht zu lange mit dem Arztbesuch zu warten. Denn wenn die Beschwerden erst chronisch sind, lässt sich ein operativer Eingriff oft nicht mehr vermeiden. „Das sollte aber niemanden erschrecken, denn uns stehen heute sehr gute minimal-invasive Verfahren zur Verfügung, die sehr schonend sind“, sagt der Wirbelsäulenexperte.
Bei verschleißbedingten Schmerzen, die von den Wirbelgelenken ausgehen, hat sich die sogenannte Denervation durch eine Hitzesondenbehandlung als sehr effektiv erwiesen. Bei diesem Verfahren werden nicht die Nerven, sondern nur die Schmerzfasern mittels einer High-Tech- Hitzesonde durchtrennt. „So können wir die Weiterleitung von Schmerzsignalen an das Gehirn unterbrechen“, sagt Dr. Schneiderhan. „Der Eingriff erfolgt in Schlafnarkose und ist für Patienten somit völlig schmerzfrei.“
Weitere Vorteile: die Hitzesondenbehandlung ist gut verträglich und hat einen lang anhaltenden Effekt.“ Bei einem Bandscheibenschaden kann eine lokale Mikrolaserbehandlung helfen. Bei diesem ebenfalls minimal-invasiven Eingriff schiebt der Arzt unter Röntgenkontrolle seitlich an der Halsvorderseite eine Punktionsnadel bis zur betroffenen Bandscheibe vor. Durch diese Punktionsnadel wird dann eine Mikrolaserglasfaser geführt.
„Diese sondert Licht einer konstanten Wellenlänge ab, was zu einer Schrumpfung der defekten Bandscheibenanteile führt“, so der Experte. „Das entlastet die eingeklemmte Nervenwurzel. Gleichzeitig werden während des 45-minütigen Eingriffs unter lokaler Betäubung auch die Schmerzrezeptoren ausgeschaltet.“